© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

„Richtig ist, was der CDU widerspricht“
CDU-Wirtschaftstag: Vizepräsident Friedrich Merz kritisiert Umweltpopulismus / E-Mobilität bleibt ohne Geschäftsmodell
Christian Dorn

Für den Standort Deutschland schlägt’s dreizehn – um so viel Prozent sind die Investitionen ausländischer Unternehmen in Europas größter Volkswirtschaft zurückgegangen. Es ist das erste Minus seit 2005. Laut den Wirtschaftsprüfern Ernst & Young (EY) rangiert Deutschland vor allem wegen hoher Steuern und Arbeitskosten damit hinter Großbritannien und Frankreich. Beim BIP lag Deutschland 2018 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent nur noch auf Rang 24 unter den 28 EU-Mitgliedern. 

Deutsche Unternehmen exportieren derweil Arbeitsplätze und Milliardeninvestitionen bevorzugt ins EU-Ausland, so der Chiphersteller Infineon und der Pharmaspezialist Boehringer nach Österreich, der Autohersteller Daimler nach Frankreich oder der Zulieferer Continental nach Ungarn.

Wer Erklärungen dafür sucht, findet sie beim Tag des CDU-Wirtschaftsrats vergangene Woche. So scheint dieser Abwärtsprozeß „kulturprägender Ausdruck des Systems Merkel“ zu sein, wie ein aufstrebender Software-Entwickler aus Baden-Württemberg im JF-Gespräch bemerkt. Er sieht den Niedergang Deutschlands im Symbol der Raute verkörpert – einem „Zustand des Däumchendrehens“, weil es offenbar „einfacher ist, keine Entscheidung zu treffen“. Die Perspektive seines zwölfköpfigen Unternehmens, das seit Jahren um die Bewilligung eines Bankkredits kämpft, äußert sich im Dilemma zwischen Geschäft und Ethik: Ein chinesischer Anbieter hat dem jungen Unternehmer ein lukratives Angebot für seine neue Software gemacht, die er leider nicht ablehnen kann – wissend, daß der Kunde damit einen deutschen Konkurrenten beseitigt. Vor diesem Hintergrund wirkt das Motto des Wirtschaftstages „Neuer Aufbruch für Deutschland und Europa“ wie ein frommer Wunsch. 

Für dessen Formulierung ist Familienunternehmerin Astrid Hamker vom Gebäudedienstleister Piepenbrock zuständig. Die neue Präsidentin des Wirtschaftsrates warnte die CDU davor, sich als Klimarettungspartei zu profilieren, statt den Wirtschaftsstandort zu stärken. Entsprechend sieht Hamker ihren Verein „Stachel im Fleisch“ der CDU.

Den E-Rollern im Anschluß den Stecker gezogen

Deren neue Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer („AKK“) übernimmt diese masochistische Metapher, denn das sei „auch gut so“. Sie selbst wisse, daß es „keine CO2-freie Energie geben kann“. Gleichwohl schwärmt sie vom „kulturellen Unterschied in Paris“, dort führen unzählige E-Roller durch das Straßenbild.

Doch diesen Leuchttürmen der „Energiewende“ wird auf den Diskussionspodien regelmäßig der Stecker gezogen. So erklärte Andreas Feicht, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, daß „zahllose Anwendungen nicht elekrisierbar“ seien. Den Illusions-Charakter der allgemeinen E-Mobilität verdeutlichte die frühere CDU-Politikerin Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU): Da der deutsche Strompreis zu 80 Prozent mit Steuern und Abgaben belastet sei, existiere kein Geschäftsmodell für Elektroladestationen. Für Lkws gebe es nicht einmal eine Modellsäule, so Joachim Drees, Vorstandsvorsitzender der MAN-Gruppe. Er plädierte wegen Deutschlands Spitzenposition beim Strompreis für eine Rückkehr zur Atomkraft: „CO2 muß einen Preis haben, aber darf nicht zur Mehrbelastung führen.“

Das Zitat stand dabei stellvertretend für die klimapolitischen Bekenntnisse aller Redner des Wirtschaftstages – und damit für den offenkundigen Widerspruch. Immobilienmanager Michael von Hauff warnte – unter Verweis auf die Bundesdrucksache 17/5672 von 2011 über die Folgen eines kollabierenden Stromnetzes – vor einer steigenden Blackout-Wahrscheinlichkeit von 80 bis 90 Prozent bis 2022; dann will Deutschland das letzte AKW abgeschaltet haben. 

Da half am Abend nur die Beratung durch BlackRock, hier in Person von Aufsichtsrat Friedrich Merz, der zugleich sein Amt als neuer Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrats antrat. Er warnte vor einem „zunehmenden Links- und Umweltpopulismus“ und dekretierte mit Blick auf die Enteignungsdebatte: „Ohne Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl ist das nicht zu haben“, das reiche als Antwort auf die Forderungen von Kevin Kühnert. Aus seiner Sicht sei es „geradezu eine Bestätigung dafür, daß wir richtig liegen, wenn wir mit der CDU nicht übereinstimmen“.