© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Pankraz,
Martin Salander und KKR als Verleger

Eine Art Geschäftsroman à la „Martin Salander“ von Gottfried Keller scheint hierzulande jetzt in der Wirklichkeit abrollen zu wollen: der Versuch einer an sich mittelständischen, von Haus aus nationalliberal gesinnten Verlegerfamilie, zum „Global player“ aufzusteigen und international ganz oben mitzumischen. Friede Springer, die letzte Ehefrau des Zeitungsgründers Axel Springer und Haupteigentümerin des Axel-Springer-Verlags, habe – so laufen die Gerüchte  – zusammen mit ihrem Vorstandsvorsitzenden und Miteigentümer   Mathias Döpfner bereits sämtliche Weichen für die globale Entwicklung gestellt.

Keinem Geringeren als Google will man direkte Konkurrenz machen. Dazu braucht man Kapital, und da der seinerzeitige Zugang zur Börse in dieser Richtung nichts gebracht hat, will man sich von ihr trennen und künftig nur noch mit der Investmentfirma Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) zusamenarbeiten. KKR soll allen Aktionären des Springer-Konzerns mit Ausnahme von Friede Springer und Mathias Döpfner ihre Aktien abkaufen; Friede Springer und Döpfner halten zusammen 45,4 Prozent an dem Unternehmen, der Rest und damit die Mehrheit ginge mithin an KKR. 

Aber es handelt sich bei Springer eben nicht nur um eine börsennotierte Aktiengesellschaft, sondern durchaus auch noch um ein Familienunternehmen. Es gibt zwei Enkel des 1985 verstorbenen Firmengründers, von dessen Besitz ihnen ein Teil als Erbschaft per Gesetz zugefallen ist: Axel Sven Springer und Ariane Melanie Springer, die beide heute noch beträchtliche Aktienanteile halten. Wie werden diese engsten Familienmitglieder auf die Strategie von Döpfner/KKR reagieren? Wie hoch müßten die Summen sein, um sie  für den Verkauf willfährig zu stimmen?


Und da sind dann noch die bei der Bild-Zeitung und bei der Welt angestellten Journalisten und Redakteure, von denen die meisten noch lange nich pensionsreif sind. Was wird mit denen? Wird es unter dem (Mit-)Regime von KKR auf Dauer überhaupt noch eine Bild und eine Welt geben? Die Firma KKR ist bekannt (und erfolgreich) wegen ihrer kraftvoll-unbekümmerten (andere sagen: hemdsärmligen) Methoden. Sie investiert üppig und großzügig, will aber nach soundsoviel Monaten oder Jahren auch ordentlichen Gewinn sehen und zögert nie, eventuell „unheilbare“ Verlustobjekte sofort abzustoßen.

In früheren Zeiten war im Hause Springer die Bild-Zeitung mit ihren Millionenauflagen der sichere Gewinnquell, an dem sich auch zwar anspruchsvolle, aber weniger ertragreiche oder gar defizitäre Redaktionen erquicken durften. Fürs würdige Überleben war allemal gesorgt. Heute ist das bekanntlich allerorten nicht mehr der Fall, zumal bei der Springer AG nicht, die von der Fachwelt – wenn es ans Kalkulieren geht – gar nicht mehr als Zeitungs- und Verlagskonzern, für den gewisse Ausnahmeregeln gelten, wahrgenommen wird. Springer ist für sie nur noch ein gewöhnlicher „MDax-Betrieb“.

MDax ist ein deutscher Aktienindex für die sechzig „mittelgroßen“ nationalen Unternehmen, die einzig nach ihren Gewinnchancen und ihrer Börsenfähigkeit beurteilt werden, egal was sie produzieren oder sonst unternehmen. Die Axel-Springer-Aktie hat seit Jahresbeginn 2019 etwa 30 Prozent an Wert verloren; das will man unbedingt vergessen machen und wieder durchstarten. KKR soll  der Firma „aggressive Investitionen“ dazu liefern. Vor allem geht es um profitable Auftritte im Internet.

Friede Springer und Döpfner setzen ja schon seit Jahren fast ausschließlich noch auf digitale Angebote jenseits des klassischen Journalismus. Der Umsatz der digitalen Kleinanzeigen, so wird zur Zeit mit Stolz verkündet, sei im vergangenen Jahr um 20 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro gestiegen; insgesamt entfielen inzwischen drei Viertel des Konzernumsatzes von zuletzt 3,2 Milliarden Euro auf das digitale Geschäft. Allerdings hat das Unternehmen im selben Takt auch eine deutlich zurückhaltende Prognose abgegeben und auf unbedingt nötige Investitionen verwiesen. Da also soll KKR einspringen.


Ob und wie der „ Private-Equity-Investor“ KKR das tun wird, interessiert zunehmend auch deutsche Verleger und Journalisten. Der Firma KKR werden spezielle Interessen für deutsche Medienverhältnisse nachgesagt. 2013 hat sie sich „erfolgreich“ an der Sanierung von ProSiebenSat.1 beteiligt, für Bertelsmann  baute sie (nicht minder „erfolgreich“) 2014 das Musikrechte-unternehmen BMG auf, das die Gütersloher dann komplett übernahmen, und zusammen mit dem Medienmanager Fred Kogel eröffnete KKR 2018 eine Fernseh- und Filmproduktionsfirma.

Pessimisten sagen voraus, daß der Einstieg bei Springer den New Yorker Investor endgültig  zu einem ständigen – und unheilvollen – Faktor im deutschen Redaktions- und Verlagswesen machen wird. Als seine ersten Opfer, so die Prognosen, würden wohl die Bild-Zeitung und die Welt auf der Strecke bleiben, welche – falls nicht gänzlich abgeschafft –  bald gar keinen Platz mehr für Journalisten und Autoren bieten würden, weil digitale Algorithmen doch viel gewinnbringender seien. Das Beispiel der von KKR geprägten Zeitungen und Sendungen  werde Schule machen und auch andere Medienkonzerne beeinflussen. 

Was aber den neuen und realen Martin Salander, also Springer-Vorstand Mathias Döpfner betrifft, werde ihn dasselbe Schicksal ereilen wie den fiktiven Großunternehmer Martin Salander aus Seldwyla bei Gottfried Keller: Er wird nie und nimmer eine riesige internationale MDax-Firma vom Schlage Google dirigieren, allenfalls in die Geschichte eingehen als jener Schöngeist, der den einst blühenden (und in Maßen durchaus einflußreichen) Zeitungsverlag Axel Springer in die Zone der Beliebigkeit hineingeschoben hat.

Deshalb noch ein Trostsatz aus dem „Salander“ (der Autor spricht): „Der Mensch rechnet immer das, was ihm fehlt, dem Schicksal doppelt so hoch an als das, was er wirklich besitzt.“