© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Kontrollier die Netze, kontrollier die Daten
China und die USA wollen die Technologie der Zukunft liefern
Mathias Pellack / Christian Schreiber

Der drittgrößte Verkäufer von Smartphones weltweit und einer der weltgrößten Netzwerk­ausrüster steht mitten in der Schußlinie der beiden Großmächte China und USA um technologische Vorherrschaft. Der Technologie-Konzern sieht sich Spionage-Vorwürfen seitens der US-Regierung ausgesetzt. Die hatte bereits 2014 ihrererseits Huawei ausspioniert – offenbar nicht ohne Grund (siehe Infokasten).

Der Stopp mußte aufgeschoben werden

Die US-Regierung hatte Mitte Mai  2019 mehrere chinesische Hersteller auf eine schwarze Liste gesetzt. Firmen, die in den USA Produkte verkaufen wollen, müssen nun neue Geschäfte mit den gelisteten Unternehmen immer absegnen lassen. US-Präsident Donald Trump begründete den Schritt mit Sicherheitsbedenken gegen in den USA installierte Technologie, die von „ausländischen Gegnern“ stamme.

Bereits eine Woche später wurde die Gefahr unerwartet real. Trump mußte die Maßnahmen für 90 Tage aussetzen, da sonst einige amerikanische Netzbetreiber keine Softwareaktualisierungen mehr von Huawei bekommen hätten. Sicherheitsmängel oder Ausfälle wären die Folge. Die Regierung erklärte, der Aufschub solle „betroffenen Unternehmen Zeit geben, nach Alternativen zu suchen und sich auf Änderungen einzustellen“.

Das 1987 auf der anderen Seite des Pazifiks gegründete Unternehmen zeigte sich kampfbereit. Nachdem Google, den US-Anweisungen folgend, am 20. Mai erklärt hatte, künftige Smartphone-Generationen nicht mehr mit Software zu versorgen, kündigten die Chinesen aus Shenzhen zwei Tage später an, ihr eigenes Bestriebssystem bereits im Herbst einzuführen. „Massiv“ werde man daran arbeiten, erklärte ein Konzernsprecher. 

Das System, das bisher unter dem Namen „Hong Meng OS“ bekannt ist, solle auf Smartphones, Computern, Tablets, Fernsehern, in Autos und tragbaren Geräten laufen und mit Android-Apps kompatibel sein, kündigte der Huawei-Verbrauchersparten-Chef Yu Chengdong an. Allseitig einsetzbar also, wie bisher nur die Android-Konkurrenz. Außerdem solle das neue Betriebssystem „bis zu 60 Prozent schneller“ sein.

Handys mit vorinstallierten Google-Diensten wird Huawei kaum mehr verkaufen können. Dazu zählen etwa der Chrome-Browser, den in Deutschland mehr als jeder zweite nutzt oder auch die Navigation von Google Maps. Bereits verkaufte Smartphones sollen aber wie gewohnt mit allen Sicherheitsaktualisierungen und Apps versorgt werden.

Eigenes Betriebssystem schon lange vorbereitet

Mit dem seit 2012 in Entwicklung befindlichen Betriebssystem könnte Huawei weiter vom reichhaltigen Android-App-Angebot profitieren, ohne auf Google angewiesen zu sein, denn die grundlegenden Lizenzen sind frei. Microsoft indes, der Hauptlieferant für Laptop-Betriebssysteme, hält sich mit offiziellen Aussagen zur Zusammenarbeit zurück, nahm aber Huawei-Produkte von seiner Webseite. Hier haben die Chinesen noch keine Alternative angekündigt.

Die Hardware fertigte das Unternehmen, das 2018 fast 100 Milliarden Dollar Umsatz machte, in Zusammenarbeit mit westlichen Anbietern. Vor allem die Prozessoren als Herzstück der Rechner dürften schwer zu ersetzen sein. Dabei geht es weniger um die Chips der Branchengrößen Intel, Qualcomm, AMD, Broadcom oder des deutschen Herstellers Infineon, sondernd vielmehr um die Technologie von ARM.

Wie alle namhaften und auch die meisten No-Name Hersteller von Smartphones und Tablets – vom amerikanischen Apple bis zum chinesischen ZTE – nutzt Huawei die Chip-Architektur aus britischer Hand. Die Prozessoren werden dann unter dem Namen Kirin von einem Tochterunternehmen in Lizenz gefertigt. ARM stoppte vorsorglich die Geschäftbeziehungen, da man auch diesseites des Atlantik „Technologie mit Ursprung in den USA“ nutze und so die Präsidentenverordnung bei Geschäften mit US-Firmen gelten könne. Bliebe es bei dem Stopp, würden die Chinesen laut Experten bei den Kernchips um eine Dekade zurückfallen. Das wäre in jedem Fall ein massiver Einschnitt in der sich schnell entwickelnden Techwelt.

Der chinesische Tech-Konzern versucht nun die Probleme zu minimieren. Huawei-Gründer Ren Zhengfei sagte in einem Interview mit dem chinesischen Staatssender CCTV, die Einschränkungen seien von „geringer Bedeutung“.

Huawei sei in der Lage, eigene Chips zu fertigen. „Wir können die gleichen Chips bauen wie US-Anbieter.“ Beschwichtigend fügte er hinzu, gleichzeitig wolle man weiter US-Chips kaufen. In „friedlichen Zeiten“ komme die Hälfte der von Huawei verbauten Chips aus US-Produktion, die andere Hälfte stelle das Unternehmen (in Lizenz) selbst her. Und mit Google sei man bereits in Gesprächen.

Netzwerke sind die Stärke der Chinesen

Auf der Haben-Seite stehe bei Huawei als Netzausrüster ein technischer Vorsprung von zwei bis drei Jahren. Der 78jährige Geschäftsführer versprach um die Vorzüge wissend, daß es durch die US-Sanktionen keine Verzögerungen bei der Auslieferung von Ausrüstung für den neuen 5G-Datenfunk geben solle. Die Bundesregierung stellt sich bisher gegen ein Kooperationsverbot mit den Chinesen, da dies die Digitalisierung Deutschlands weiter zurückwerfen würde.

Huawei bot ein No-Spy-Abkommen  mit den USA an. Gerüchte besagen, die Tocher „Huawei Marine“, die als Joint Venture mit der britischen Global Marine Internet-Seekabel verlegt, solle abgestoßen werden, in der Hoffnung die Amerikaner so zu besänftigen. Auch hier machten die Chinesen den den Markt dominierenden Amerikanern, Briten und Japanern Konkurrenz.





Huawei und die NSA

Die National Security Agency (NSA) hatte Huawei nebst dem ehemaligen Staatspräsidenten Chinas Hu Jintao ausspioniert, was durch die Veröffentlichungen des amerikanischen Geheimdienstmitarbeites Edward Snowden ans Licht kam. Die NSA durchleuchtete in der Operation „Shogiant“ den zweitgrößten Netzwerkausrüster der Welt. Größer ist nur Cisco aus den USA. Begründet hatte die NSA die Aktion in einem internen Dokument laut Spiegel mit der Behauptung, daß „viele Ziele über von Huawei produzierte Produkte kommunizieren. Wir wollen sicherstellen, daß wir wissen, wie wir diese Produkte nutzen können“. Die NSA befürchtete, China könnte mehr Kontrolle über den Informationsfluß gewinnen. Huawei wurde 1987 von Ren Zhengfei in der chinesischen Sonderwirtschaftszone Shenzhen gegründet. In Deutschland verkauft das Unternehmen seit 2011. Mit fast 20 Prozent Marktanteil im ersten Quartal 2019 stellten sie den zweitgrößten Lieferanten hinter Samsung. Weltweit eroberte Huawei ein Sechstel des Marktes. Größer waren nur Apple mit 15,8 Prozent und Samsung mit 17,3 Prozent.