© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/19 / 14. Juni 2019

Technik
Alexa, hör weg!
Ronald Berthold

Es sind zwei wenig beachtete Nachrichten, von denen jede für sich aufhorchen lassen müßte. Zusammengenommen verkünden sie den Marsch in den Überwachungsstaat. Die erste lautet: Standardmäßig hört Amazon alles ab und zeichnet auf, was Menschen in Räumen sagen, in denen sein Sprachassistent „Alexa“ steht. Zweitens wollte die Innenministerkonferenz auf Antrag der SPD- und Unions-Staatssekretäre am Mittwoch beschließen, daß alle Daten, die das Gerät speichert, dem Staat zur Verfügung stehen. Dasselbe gilt – so das Ansinnen – für Apples „Siri“ und die anderen Smart-Home-Erfassungen. Der Staat ermächtigt sich damit sogar, auf die Daten von Kühlschränken und Fernsehern zuzugreifen.

Die Regierung aus dem Haus zu bekommen, ist schwer, wenn sie erst den Fuß in der Tür hat.

Die meisten Kunden glauben, der verbreitete Sprachassistent höre erst zu, nachdem sie den Befehl „Alexa!“ gerufen haben. Doch Amazon hat, bereits im Januar ein Patent angemeldet, das aus dem Gerät einen Rund-um-die-Uhr-Abhörapparat macht. Offizielle Begründung: Viele Benutzer sagten nicht „Alexa, bitte spiel Musik!“, sondern „Bitte spiel Musik, Alexa!“ Den zweiten Befehl könne der digitale Pfiffikus aber nicht verarbeiten, wenn er nicht schon vorher lausche.

Was der US-Konzern als Kundenfreundlichkeit verkauft, bekommt durch die Beschlußvorlage der Innenminister eine noch größere Dramatik. Anstatt im Interesse seiner Bürger zu verlangen, daß Amazon die Abhörpraxis sofort beendet, macht sich der Staat zum Komplizen und will seinen Teil der Beute. Zwar sollen die Daten nur vor Gericht als Beweismittel zugelassen werden. Doch jeder weiß, wie schwer es ist, die Regierung aus dem Haus zu bekommen, wenn sie erst einmal den Fuß in der Tür hat. Nachdem bereits das Bankgeheimnis der Vergangenheit angehört, fällt mit der Wohnung auch dieser bisher unantastbare Rückzugsraum. Industrie und Staat spielen sich dabei die Bälle zu.