© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Masih Alinejad. Die Frauenrechtlerin erinnert daran, was das Kopftuch bedeutet.
Die Löwin
Boris T. Kaiser

Als Neuseelands Ministerpräsidentin Jacinda Ardern nach dem Terroranschlag auf die Moscheen in Christchurch ein Kopftuch trug, um ihre Solidarität mit den Moslems zu zeigen, wurde sie dafür weltweit bejubelt. Vor allem westliche Linke empfanden das Tragen des Kopftuchs als wichtiges Signal für die offene Gesellschaft. Viele taten es Ardern gleich und setzten ebenfalls eines auf. Doch kaum jemand fragt sich, was eigentlich die mutigen Frauen in der islamischen Welt, die oft unter Einsatz ihres Lebens gegen das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung kämpfen, von solcher Art Schulterschluß halten – der eben auch ein Schulterschluß der in Freiheit lebenden Frauen im Westen mit den Unterdrückern der Frauen im Orient ist. 

Eine, die man nicht lange nach ihrer Meinung dazu fragen muß, ist die iranische Autorin Masih Alinejad. Die Journalistin, die bis zu ihrem Berufsverbot Parlamentskorrespondentin in Teheran war, wollte sich schon als Kind nicht damit abfinden, daß Mädchen im Islam einen geringeren Stellenwert haben als Jungen. So kämpfte sie bereits als kleines Mädchen in ihrem Heimatdorf Ghomikola darum, die gleichen Rechte wie ihr Bruder zugestanden zu bekommen. Und als Studentin wurde die unbeugsame junge Frau gar zur Regimegegnerin erklärt und verhaftet. Im Londoner Exil startete sie schließlich die Facebook-Initiative „My Stealthy Freedom“ (Meine heimliche Freiheit) und legte damit den digitalen Grundstein für den Freiheitskampf der Frauen des Iran. 

Über die Kopftuch-Aktion Arderns zeigte sich die heute 42jährige – trotz Wertschätzung für die angebliche Empathie der Politikerin – entsetzt. Bei einer Veranstaltung auf offener Bühne demonstrierte sie, wie Frauenrechtlerinnen in islamischen Ländern das Kopftuch abnehmen und an einem Stock befestigen, um es als Fahne der Freiheit zu schwenken. Die heute in New York lebende Aktivistin berichtet auch, wie Frauen für diesen Mut von islamistischen Sittenwächtern gefangengenommen werden – und manchmal nie wieder auftauchen. 

Wer auf Youtube Videos der Auftritte Masih Alinejads sieht, spürt förmlich, wie das Feuer der Freiheitsliebe in der Brust der Frauenrechtlerin glüht. Sie erzählt auf unterhaltsame Art, wie moslemische Machos sie immer wieder beschimpfen, aber bei einer direkten Konfrontation den Schwanz einziehen. Politikerinnen wie Claudia Roth, die bei ihren Iran-Reisen Kopftuch tragen, brechen ihr, wie sie sagt, „immer wieder das Herz“ und sind in ihren Augen „Heuchlerinnen“.

Daß sie bei all dem nie ihren mitreißenden Humor verliert, gehört, neben ihrer Unerschrockenheit, zu den beeindruckendsten Eigenschaften der kämpferischen Frau mit dem schon viel zu oft gebrochenen Löwenherz. Doch sie selbst ist daran nie zerbrochen, und das Feuer der Freiheitsliebe in ihr ist noch lange nicht erloschen.