© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Die Liebe ist ein seltsames Spiel
Koalition: Noch 2019 sollen Therapien zur sexuellen „Umpolung“ verboten werden
Christian Vollradt

Noch in diesem Jahr soll nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der Bundestag ein Gesetz über das Verbot sogenannter Konversionstherapien beschließen. Ein entsprechender Entwurf soll gemeinsam mit dem Justizministerium schon vor der parlamentarischen Sommerpause abgestimmt werden. 

Ziel ist es, Angebote zur „Umpolung“ Homosexueller künftig gesetzlich zu untersagen und deren Anbieter bei Bedarf strafrechtlich verfolgen zu können, da diese Therapien – so der Vorwurf – in Wirklichkeit eine „ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit und Menschenrechte“ seien und ihrerseits in vielen Fällen die Betroffenen krank machten. Spahn, der in einer eingetragenen Partnerschaft mit einem Mann lebt, machte zur Begründung seines Vorhabens deutlich: „Homosexualität ist keine Krankheit und daher auch nicht therapiebedürftig.“ 

Der Minister beruft sich dabei unter anderem auf eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) im Auftrag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Keine wissenschaftliche Untersuchung lasse den Schluß zu, daß die sexuelle Orientierung von Menschen durch gezielte Interventionen – sogenannte „Sexual Orientation Change Efforts“ (SOCE) – beeinflußt und dauerhaft verändert werden könne, schreibt der Autor der Studie, der Sexualwissenschaftler Peer Briken. 

Allen solchen Bemühungen zum Trotz erweise sich die sexuelle Orientierung bei vielen Menschen im Lebensverlauf als „relativ stabil“. Zwar habe die Wissenschaft Nachweise dafür gefunden, „daß manche Menschen im sexuellen Selbsterleben eine gewisse Flexibilität (auch: ‘Fluidität’) aufweisen, jedoch ist diese selten und meist eher moderat.“ Zudem, so Briken, basiere „solche Fluidität nicht auf bewußten Entscheidungen“.

Daher müßten solche SOCE-Interventionen oder Konversionstherapien zur (umgangsprachlich) „Umpolung“ aus heutiger Sicht „als unethisch gelten“. Und der UKE-Professor betont: „Empirisch, sexualwissenschaftlich, soziologisch, psychologisch und medizinisch gibt es keine Hinweise darauf, daß Homosexualität eine Störung oder gar Krankheit ist.“ Krank könnten seinen Ausführungen zufolge dagegen die erwähnten Behandlungen machen. Als Folgen seien Angst, Depression, Neigungen zum Selbstmord sowie verinnerlichte Homophobie oder Selbsthaß bekannt. Aber auch Probleme in der Beziehung zu Partnern und Familie, sowie Alkohol- und Drogenmißbrauch träten erwiesenermaßen auf. 

Kritik von Evangelikalen: Hilfe nicht kriminalisieren

Anstatt den Homosexuellen therapieren zu wollen, müsse die Gesellschaft darüber aufgeklärt werden, „daß es sich bei nicht-heterosexuellen Orientierungen um normale Varianten menschlicher Sexualität und nicht um Pathologien handelt“, fordert Gutachter Briken. Dies gelte auch im Verhältnis zur Religion: „Es sollte dann darum gehen, mögliches konflikthaftes Erleben, das sich durch religiöse oder spirituelle Praxis bei nicht-heterosexueller Orientierung ergibt, zu verringern, ohne auf eine Änderung der sexuellen Orientierung hinzuwirken.“

Doch rechtfertigt die Ablehnung  derartiger Therapien aus medizinischen, sexualwissenschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Gründen gleich ein Verbot? Der ebenfalls von der Hirschfeld-Stiftung mit einem Gutachten beauftragte Münchner Rechtswissenschaftler Martin Burgi kommt zu dem Ergebnis, daß ein solches Verbot unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich möglich wäre. Ein „Verbot des Anbietens, der Durchführung, der Vermittlung von und des Werbens für sogenannte Konversiontherapien durch Anbieter mit religiösem oder weltanschaulichem Hintergrund ist mit deren Grundrecht der Glaubensfreiheit vereinbar, soweit es die Behandlung von Minderjährigen und beschränkt einsichtsfähigen Personen beträfe“, schreibt der Jurist. Bezogen auf Erwachsene „könnten die Vermittlung von und das Werben für Konversionstherapien verboten werden“ – also nicht die Therapie an sich. In beiden Fällen hielte es Burgi für angemessen, verstöße gegen ein Verbot dann als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden.

Kritik an dem Vorhaben im Hause Spahn kommt unter anderem von der Deutschen Evangelischen Allianz. „Durch ein pauschales Verbot von unscharf definierten Konversionstherapien könnten grundlegende Freiheits- und Persönlichkeitsrechte beschnitten und hilfreiche Angebote erschwert werden“, bemängelt der evangelikale Dachverband. Auch für die konservativen Christen steht fest, daß Homosexualität keine Krankheit ist, betonte der Politikbeauftragte der Allianz, Uwe Heimowski. Er kritisierte jedoch gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur idea, manche Medien erweckten den Eindruck, vor allem christliche Einrichtungen „würden Schwule therapieren“. Das aber finde nicht statt, versicherte er. Stattdessen werde mit Menschen „geredet, die in ihrer sexuellen Identität verunsichert sind“; und es wäre „eine Katastrophe“, wenn solche Hilfsangebote ebenfalls unter das von Spahn angestrengte Verbot fallen würden, so Heimowski. 

Ähnlich sieht man das auch im Institut für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung (IdiSB). Der Vereinsvorsitzende Markus Hoffmann betont, man strebe anderslautenden Gerüchten zum Trotz keine Änderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung an. Deutlich kritisiert Hoffmann indes die Ausführungen von Gutachter Briken. Anstatt „eine solide Antwort für die hohe Fluidität von sexueller Orientierung im Jugendalter zu finden“, nehme man „durch die Behauptung, sexuelle Orientierung sei immer unveränderlich, in Kauf, daß Jugendliche eher zu einem Coming-out gezwungen werden, als daß sie zu einem selbstverantworteten Verstehen ihrer Sexualität angeleitet werden“.