© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Zeitschriftenkritik: Tumult
Selbstverleugnung und obsessive Schuld
Werner Olles

In seinem Vorwort zur Sommer-Ausgabe 2019 der „Vierteljahresschrift für Konsensstörung“ Tumult bezeichnet Herausgeber Frank Böckelmann den regierungsamtlichen „Kampf gegen Rechts“ als „Phantasma“ und „Selbstbetrug“, geschöpft aus „hartnäckiger Selbstverleugnung“. Zwar sieht er „die Begierde des Phantasmas dereinst erlöschen – aber voraussichtlich auf eine Weise, die im Rückblick das rechte Gespenst als biederes Haustier erscheinen lassen wird“. Dem stimmt die Philologin und Literaturwissenschaftlerin Bettina Gruber in ihrem Beitrag „Die Zukunft der Schuld … ist die Zukunft des Westens“ zu. Sie sieht „dank eines jahrzehntelangen Marsches ‘linksliberaler’ Ideologen durch den Staatsapparat, insbesondere das Bildungssystem“, sowohl die staatliche Rhetorik als auch die „Zivilgesellschaft“ im Zangengriff von Politikern, Kirchenvertretern und Aktivisten der führenden NGOs. Zwischen denen passe, was die „Schuld“ als „zentrale Obsession des Westens“ betreffe, kein Blatt Papier: „Die Erbsünde ist unumkehr gegeben; die Schuld an Klimawandel und Kolonialismus muß emsig abgebaut werden.“ Sie plädiert für einen „Ethnozentrismus mit Augenmaß“, der an die Stelle der „derzeitigen Schuldseligkeit“ tritt. Sollte dies nicht gelingen – so ihr pessimistisches Fazit – „wird ein Kulturkreis ohne Selbstachtung in absehbarer Zeit von der Landkarte der Kulturen verschwunden sein“.

Der Kunsthistoriker Jonathan Meynrath beschreibt einen Besuch bei Joachim Kaiser, dem inzwischen verstorbenen „Feuilletonfürsten“ (F. J. Raddatz), der seine Umgebung zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit unverhohlenem Mißmut als „anhaltendes Trommelfeuer von Zerstreuung und Verblödung“ beschrieb. Wenig schmeichelhaft fiel auch die Kritik an seiner langjährigen publizistischen Heimat, der Süddeutschen Zeitung, aus: „Es ist zuviel Irak und zu wenig Streichquartett im Feuilleton“, ließ er 2005 wissen. Seine Wandlung vom linksliberalen Jungstürmer zum wehmütigen Kulturpessimisten führte ihn schließlich zu der bitteren Prognose, wenn die Anhänger der Hochkultur sich weiterhin ins Sektiererische abgedrängt sähen und das Humboldtsche Bildungsideal als in letzter Konsequenz belangloses Relikt verschrien werde, „dann hätte der Spengler recht gehabt.“ 

Weitere Beiträge befassen sich mit der „Virulenz der Rassenfrage in den Vereinigten Staaten“ (Siegfried Gerlich), „Innerdeutschen Verletzungen“ (Caterina Jahn), Marc Pommerenings „Mikroaggressionen“ und Jürgen Grosses „Weltoffenheit versus Weltläufigkeit“.

Illustriert ist das Heft mit 21 Arbeiten des Malers Axel Krause, der von der gerade laufenden Leipziger Jahresausstellung wegen seiner AfD-Nähe ausgeschlossen wurde (die JF berichtete). In einer Selbstauskunft schreibt er, seine Bilder seien „weder für noch gegen irgendein gesellschaftlich oder kulturpolitisch relevantes Ereignis, einen Vorgang oder eine Befindlichkeit gemalt und in Stellung gebracht“. Sie zeugten allein von der in ihm existierenenden subjektiven Welt.

Kontakt: Frank Böckelmann, Nürnberger Str. 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 10 Euro, ein Jahresabo 40 Euro. 

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