© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Den „Zeitvertreib“ kennen wir noch, die „Zeitvergeudung“ ist fast vergessen. Das gilt erst recht für den „Zeitverderb“: „die unnütze Anwendung einer zu bessern Beschäftigungen bestimmten Zeit“ (Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Leipzig 1801).

˜

Erstaunlich ist die Perspektive auf das Bonnie-and-Clyde-Thema in dem auf Netflix gezeigten Film „The Highwaymen“. Der Titel leitet sich von den beiden Männern der Texas Ranger her (gespielt von Kevin Costner und Woody Harrelson), die das Gangsterpärchen schließlich zur Strecke brachten. Gezeigt werden Bonnie Elizabeth Parker und Clyde Chestnut Barrow, die zwischen 1931 und 1935 ihre Raubzüge in den USA verübten und dabei vierzehn Menschen – vor allem Polizisten – ermordeten, nur einmal, nämlich im Moment ihres Todes, als sie, von einem Kugelhagel getroffen, in ihrem Wagen sterben. Damit beschreitet der Regisseur John Lee Hancock genau den entgegengesetzten Weg, den Warren Beatty 1967 mit seinem Film „Bonnie and Clyde“ eingeschlagen hatte. Beatty spielte damals auch die männliche Hauptrolle und war vom Sujet sichtlich fasziniert. Die beiden Kriminellen erhielten, wenn nicht die Gloriole von Märtyrern des kapitalistischen Systems, dann doch die Aura tragischer Helden mit einem Hauch von Glamour. Der Film hat bezeichnenderweise im Gefühlshaushalt der Achtundsechziger eine wichtige Rolle gespielt.

˜

Im Laufe des Jahres 2018 gab es in Italien 2.646 Angriffe auf Ordnungskräfte. In fast der Hälfte der Fälle – bei 1.264 Gewaltakten – waren die Angreifer Migranten, davon 700, die unter dem Einfluß von Drogen oder Alkohol standen.

˜

Auch deutsche Medien haben in aller Breite berichtet, daß die spanische Regierung die Exhumierung der Überreste Francos durchsetzen will. Sie sollen aus dem großen Mausoleum im Valle de los Caidos entfernt und auf einem Friedhof im Norden Madrids beigesetzt werden. Dagegen hat die Familie des früheren Staatschefs protestiert. Die für den 10. Juni vorgesehene Maßnahme mußte ausgesetzt werden, nachdem der Oberste Gerichtshof Spaniens am 4. Juni eine einstweilige Verfügung erlassen hat, um den Sachverhalt zu prüfen. Davon fand sich allerdings nichts in unseren Nachrichten.

˜

Nachdem in der Kathedrale Saint-Louis-des-Soldats, die zum Baukomplex des Invalidendoms von Paris gehört und die zentrale Kirche der französischen Armee ist, im Rahmen eines Konzerts der muslimische Gebetsruf ertönte, haben Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten massiv gegen dieses Sakrileg protestiert. Ein entsprechendes Schreiben wurde allein von mehr als dreißig Generälen unterzeichnet.

˜

Nach Alabama hat nun auch das Parlament von Georgia ein striktes Abtreibungsverbot nach der sechsten Schwangerschaftswoche erlassen. Der Gouverneur des Bundesstaates, Brian Kemp, signalisierte bereits seine Bereitschaft, ein entsprechendes Gesetz zu unterzeichnen.

˜

John Cleese, Schauspieler und Mitglied der legendären Komikertruppe „Monty Python“ hat seine bereits 2011 getroffene Feststellung wiederholt, daß London keine „englische Stadt“ mehr sei. Die Reaktionen fielen wie erwartbar aus. Auf den Vorwurf des Rassismus reagiert Cleese allerdings kühl mit dem Hinweis, daß er viel Zeit auf der Insel Nevis verbracht habe, ein vormals britisches Überseeterritorium in der Karibik, und sich dort stets sehr wohl fühlte. Die Rassenbeziehungen seien vorzüglich, die Bevölkerung wohl gebildet (die Alphabetisierungsrate liegt mit 98 Prozent auf höchstem Niveau) und vor allem: Es gebe „keinerlei Anzeichen für Politische Korrektheit“.

˜

Mit Widmungen von Büchern ist es eine merkwürdige Sache. Es gibt zum einen die knappe oder ausführliche Dedikation für denjenigen, der das Buch erhält, samt Unterschrift des Autors. Wahrscheinlich kommt etwas weniger Wertschätzung oder ein gewisser Snobismus zur Geltung, wenn der Verfasser nur mit den Initialen zeichnet. In dieselbe Kategorie könnte man auch die Chiffre „d. Verf.“ für „der Verfasser“ einordnen. Besonders interessant ist aber die Frage der Permanenz. Es gibt selbstverständlich die, die mit Füllhalter oder ähnlichem zeichnen, aber auch andere, die grundsätzlich nur mit Bleistift schreiben. Die Deutung bleibt schwierig. Vielleicht wollen sie das spätere Radieren ermöglichen, damit dem Buch das Schicksal erspart wird, das viele seiner Leidensgenossen nach einem Regimewechsel erfuhren, als man die Vorsatzblätter mit den Schriftzügen der weiland Großen herausschnitt. Oder man möchte aus ästhetischen Gründen jenen barbarischen Akt vermeiden, mit dem Armin Mohler ungewollte Widmungsexemplare behandelte, die er beim Verkauf ans Antiquariat durch eine dicke Tippexschicht unkenntlich zu machen suchte.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 5. Juli in der JF-Ausgabe 28/19.