© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Haltung zeigen
Angesichts scharfer Kritik arbeiten einige Influencer an einem Wandel des Berufsbilds
Boris T. Kaiser / Gil Barkei

Wenn man Heranwachsende heute fragt, was sie später mal werden wollen, hört man immer öfter die Antwort „Influencer“ (JF 35/17). Der Job des digitalen „Marktschreiers“ kann inzwischen tatsächlich eine durchaus lohnende Einnahmequelle sein. Aktuell kämpft er jedoch angesichts zahlreicher Negativschlagzeilen mit einem Wandel seines Images. 

In Deutschland spielen die Zwillinge Lisa und Lena (14,6 Millionen Abonnenten), die Kölner Youtuberin Bianca Heinicke mit ihrem „Bibis Beauty Palace“ (6,5 Mio.), die Vloggerin Dagmara Ochmanczyk alias „Dagi Bee“ (5,6 Mio.) die Fitneßbloggerin Pamela Reif (4,2 Mio.) und als erfolgreichster Mann Toni Mahfud (3,5 Mio.) ganz vorne bei Instagram mit.

Bei entsprechender Reichweite sind Firmen bereit, mehrere tausend Euro für ein Foto oder ein Video zu bezahlen, das das eigene Produkt vor der angestrebten jugendlichen Zielgruppe in ein hippes Licht rückt. Doch immer wieder kommt es zu Diskussionen und Rechtsstreits wegen nicht eindeutig gekennzeichneter Werbung, wie es das Gesetz vorsieht. Dabei müßten die meisten Konsumenten mittlerweile begriffen haben, daß viele dieser professionell aufgebauten und betreuten Profile Geld mit ihren Beiträgen verdienen. Auch das Münchner Landgericht betonte in einem kürzlich ergangenen Freispruch der Fußballergattin und Influencerin Cathy Hummels (494.000 Abonnenten), daß informierte Leser wissen müßten, daß die 31jährige mit ihrem digitalen Auftritt kommerzielle Interessen verfolge. 

Das reale Leben erscheint dabei oft nur noch als Kulisse. Als der Reddit-Nutzer Lewi-G am thailändischen „Maya Bay“ ein Foto von seiner posierenden Freundin machen sollte, knipste er einen Schnappschuß, der den Begriff des „Insta-Boyfriends“ prägen sollte. Um ihn herum wimmelte es nur so von Männern, die wie er gerade dabei waren, in verrenkten Haltungen mit der Kamera die Anweisungen ihrer Freundin zu befolgen, um sie für die Foto- und Videoplattform in Szene zu setzen. 

Vorwurf der Oberflächlichkeit

Mittlerweile gibt es sogar den „Insta-Opa“. Der Wirtschaftsrechts-Student Jannik Diefenbach, der auch einen Onlineshop betreibt, fotografiert seinen über 70jährigen Großvater in coolen Posen und Jugendoutfits. Die Idee, die Weihnachten 2016 geboren wurde, war schnell von Erfolg gekrönt. „Gramps“, so der Spitzname des Rentners, hat auf dem Profil „jaadiee“ seines Enkels bereits über 400.000 Abonnenten. 

Die aus dem Hollywoodstreifen „The Beach“ bekannte „Maya Bay“ mußte zwischenzeitlich übrigens geschlossen werden. Zu groß war der Andrang der Foto-Touristen. Bei weitem kein Einzelfall. Schon so mancher Ort erlangte durch Instagram ungeahnte Beliebtheit und muß nun mit den Folgen umgehen. Der Pragser Wildsee in Südtirol, die Scala dei Turchi auf Sizilien oder die Trolltunga in Norwegen: die Liste der durch den Ansturm der Instagramer ihrer einstigen Idylle beraubten Orte ist so lang wie die Staus auf ihren Zufahrtsstraßen; der Ärger der Anwohner so groß wie die zurückgelassenen Müllberge. 

Mancher „Influencer“ ist so dreist, für den Aufenthalt am Ort seines Fotoshootings nicht einmal mehr bezahlen zu wollen: Schließlich hat man eine große Reichweite, und das Foto ist doch eine „super Werbung“ für den örtlichen Tourismus. Das philippinische Hotel „White Banana Beach Club“ hat sämtlichen Schnorrer-Anfragen von Internet-Berühmtheiten daher eine klare Absage erteilt. Diese sollten sich eine andere Möglichkeit suchen, um kostenlose Übernachtung und Verpflegung zu erhalten, teilte das Hotel via Facebook mit. 

Alternativ kann man das mondäne Jetset-Leben einfach digital nachstellen. Byron Denton hat auf Instagram mit gefälschten Fotos aus Privatjets oder vor Edelboutiquen der „Community“ erfolgreich vorgegaukelt, das glamouröse Leben sogenannter „Rich Kids“ zu führen. Mit der an echten Aufnahmen reicher Sprößlinge orientierten Aktion möchte der Brite auf die Manipulationsanfälligkeit und Oberflächlichkeit der sozialen Medien aufmerksam machen.

Um solchen Vorwürfen entgegenzuwirken, versuchen einige Influencer ihrem digitalen Auftreten mehr Tiefe zu verleihen und positionieren sich – Kollegen wie „Rezo“ (JF 23/19) oder Journalisten à la Georg Restle (JF 4/19) folgend – gesellschaftspolitisch. „Mode, Zeitgeist und Haltung“ wollen beispielweise die beiden Macherinnen des „Blogger Bazaar“ (144.000 Abonnenten) bieten. In welche Richtung das geht, verdeutlichen die Regenbogen- und EU-Flaggen-Emojis. Ebenfalls im EU-Pulli neben „Fridays for future“-Hashtag posiert Maria „Masha“ Astor (210.000 Abonnenten) – nach eigenen Angaben bereits seit 2010 im Einsatz für „Fashion, Beauty, Politics and Opinions“. 

Auch auf der Digitalkonferenz „Re:publica“, die Anfang Mai in Berlin stattfand, zeichnete sich dieses Jahr ein Trend ab: „Haltung“, egal ob von Medien oder von Unternehmen, war eines der großen Themen auf und neben der Bühnen.

Die Zwillinge Lisa und Lena sind Deutschlands erfolgreichste Influencer, andere wie „Masha“ oder „Blogger Bazaar“ setzen zunehmend auf politische Positionen: Pro-EU und Pro-Multikulti neben Mode