© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Frisch gepresst

Werner Sombart. Neben Titanen wie Max Weber stand der gleichaltrige Berliner Nationalökonom Werner Sombart (1863–1941) einst in der ersten Reihe jener Mandarine, die Deutschlands Hochschulen zu Zentren der Modernekritik ausbauten. Doch anders als Weber, dessen Weltwirkung nach 1945 einsetzte und bis heute anhält, war es um den Historiker des neuzeitlichen Kapitalismus schon in der NS-Zeit sehr still geworden. Da kommt eine vom Sombart-Biographen Friedrich Lenger mit herausgegebene Briefauswahl wie gerufen, um einen eher persönlichen Zugang zu dem Vergessenen zu vermitteln, die auch wieder Neugier auf Meisterwerke wie „Der Bourgeois“ (1913) oder seine „Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen“  wecken könnte. Die Edition konzentriert sich mit dem Gros der Briefe auf die wilhelminische Zeit, und hier wiederum auf die vorletzte Jahrhundertwende, als der Millionärssohn und linke Flügelmann des bürgerlichen Sozialreformismus sogar als verkappter Sozialdemokrat verschrien war. (wm)

Thomas Kroll, Friedrich Lenger, Michael Schellenberger (Hrsg.): Werner Sombart. Briefe eines Intellektuellen 1886–1937, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2019, gebunden, 580 Seiten, Abbildungen, 99,90 Euro





Henker. Scharfrichter und gleichzeitig gläubiger Christ – was für Martin Luther noch selbstverständlich war, scheint in unserer Zeit ein unaufhebbarer Gegensatz zu sein. Wer die Aufzeichnungen des königlichen bayerischen Scharfrichters Franz Xaver Reichhart (1894 bis 1924) liest, kann dessen ehrlichen Glauben aber nur schwer in Frage stellen. „Ich wünsche jedem, der durch meine Hand starb oder noch sterben wird, die ewige Ruhe und die barmherzige Gnade Gottes“, heißt es da. Seine demütige Bitte: „Ein freundliches Gedenken an den Nachrichter Bayerns.“ Seine Aufzeichnungen sind spannend wie eine True-Crime-Serie auf diversen Privatsendern, nur deutlich authentischer. Sowohl die Tat, die zur Verurteilung führte, beschreibt Reichhart, als auch das Verhalten des zum Tode Verurteilten in seinen letzten Stunden. Dabei stechen einige Fälle heraus, die in Bayern noch heute in aller Munde sind, etwa die Hinrichtung des Mörders Mathias Kneißl 1902 in Augsburg. Ein beeindruckendes und kurzweiliges Zeugnis bayerischer Kriminalgeschichte. (tb)

Jürgen Gromann: Aufzeichnungen eines Scharfrichters. Das Tagebuch des Königlichen Nachrichters von Bayern Franz Xaver Reichhart. Selbstverlag, Donauwörth 2018, broschiert, 115 Seiten, 14,95 Euro