© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/19 / 21. Juni 2019

Knapp daneben
Sozialhilfeempfänger disziplinieren
Karl Heinzen

Die Sozialhilfemetropole Essen muß mehr als 55.000 Haushalte durchfüttern, die nicht nur fröhlich Hartz IV abgreifen, sondern sich auch noch Heizkosten erstatten lassen, die den Durchschnittswert um das Dreifache übersteigen. Mit dieser Verschwendung ist ab dem 1. Juli Schluß. Dann gibt es, ähnlich wie bei Mieten, einen Höchstbetrag, der als gerade noch angemessen akzeptiert wird. Wer mehr ausgibt, hat Pech gehabt. Der Differenzbetrag wird vom Hartz-IV-Regelsatz abgezogen. Jeder hat also in Zukunft die Wahl, ob er sich von innen durch Alkohol und Zigaretten oder von außen durch eine Heizung wärmen lassen will.

Da wir in einem Rechtsstaat leben und dieser auch für die Unterschichten allenfalls partiell außer Kraft gesetzt werden kann, wittern Anwälte Morgenluft. Man rechnet mit einer Klagewelle, die den Steuerzahler ganz unabhängig vom Ausgang der jeweiligen Verfahren einiges kosten wird. Die Hoffnung, durch die schneidige Disziplinarmaßnahme gegen allzu dreiste Essener Sozialschmarotzer Einsparungen erzielen zu können, ist daher nicht besonders groß. 

Es ist darauf zu pochen, daß ihr ökologischer Fußabdruck so klein wie möglich bleibt.

Darauf kommt es aber auch gar nicht an. Wir dürfen zufrieden sein, wenn es gelingt, wenigstens ein Zeichen zu setzen.Was aber haben wir den Armen zu sagen? Können sie, fixiert auf ihr kleines, primitives Ego, wie sie nun einmal sind, überhaupt verstehen, worauf es unserer Gesellschaft ankommt? Wir haben allen Grund, dies zu bezweifeln. In einer Leistungsgesellschaft wie der unseren hat es schließlich seinen Grund, warum manche Menschen es zu nichts bringen. Und dennoch sollten wir wenigstens versuchen, auch bei den Verlierern um Verständnis zu werben. Arme sind, jedenfalls solange unsere Verfassung nichts anderes regelt, Menschen wie wir. Viele von ihnen haben ihr Schicksal nicht selbst zu verantworten, da sie einen Migrationshintergrund haben. 

Man kann nicht verlangen, daß sie sich selbst so verachten wie normale Menschen es tun. Man darf sie aber zur Bescheidenheit ermahnen. Und es ist darauf zu pochen, daß ihr ökologischer Fußabdruck so klein wie möglich bleibt. Beides hat man in Essen im Blick.