© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/19 / 28. Juni 2019

Mach’s wie Salvini
Italien und die EU: Die EU-Fiskalpolitik ist der gemeinsame Gegner der ständig streitenden Regierung in Rom
Christian Schreiber

Rom und Brüssel sind wie Feuer und Wasser. „Wir wollen ein Strafverfahren vermeiden, aber wir sind ganz fest von unserer Wirtschaftspolitik überzeugt“, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte am Mittwoch vergangener Woche. „Wir wollen die Haushaltsregeln der EU einhalten, aber auch die treibende Kraft bei einer Neubewertung der Regeln sein, für ein effektives Gleichgewicht von Wachstum und Stabilität.“

In Brüssel pocht man auf Einhaltung der Stabilitätskriterien. Italien weist eine Staatsverschuldung von 132 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) auf, erlaubt sind 60 Prozent. Das Land will aber weiter Geld ausgeben. Die Kommission droht, ein Defizitverfahren gegen Italien einzuleiten – Milliardenstrafen drohen. Italiens stellvertretender Premier- und Innenminister Matteo Salvini reagierte prompt und verspottete den blauen Brief aus Brüssel als „letterina“ – Briefchen.

Die Regierung in Rom stellt ihrerseits Forderungen. Dazu zählt ein bedeutender Posten in der EU-Kommission. „Wir wollen einen Kommissar in einem wichtigen Wirtschaftsressort“, sagte Conte. Dies wäre auch ein Signal für Europa. Im Haushaltsstreit geht es laut Brüssel vor allem um 2020. Rom erwarte, die Vorgaben für 2019 zu erfüllen. Die Kommission wolle allerdings eine Festlegung für 2020, was die Regierung in Rom tunlichst vermeiden will. 

Fünf-Sterne-Chef will die Koalition erhalten

Denn Lega-Chef Salvini drängt auf die Einhaltung der teuren Wahlversprechen wie der Flat-Tax. Ungeachtet der schwierigen Finanzlage hatte Salvini laut dem Corriere della Sera bereits vor der Parlamentswahl im März 2018 kräftige Steuersenkungen von mindestens zehn Milliarden Euro versprochen. „Italien braucht eine mutige Steuerreform. Es ist meine Pflicht, das zu tun.“ Er drohte mit dem Ende der Koalition. „Wenn sie mich das nicht tun lassen, dann werde ich mich verabschieden und gehen.“

Salvini hat alle Trümpfe in der Hand. Bei der Europawahl überflügelte er den Koalitionspartner, und gemeinsam mit der Rechtspartei „Brüder Italiens“ kratzt er an der Mehrheit. Während Conte und der Chef der zweiten Regierungspartei Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi di Maio, bemüht sind, den Bruch mit der EU nicht offiziell zu machen, kokettiert Salvini mit dem Koalitionsende und betreibt eifrig Außenpolitik. Der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister reiste in der vergangenen Woche nach Washington und ins Weiße Haus. Lediglich ein Treffen mit US-Präsident Donald Trump kam nicht zustande, ansonsten traf Salvini alles, was Rang und Namen hat.

Der Innenminister profilierte sich als Staatsmann und versicherte US-Außenminister Mike Pompeo und Vizepräsident Mike Pence, daß Italien der wichtigste US-Partner in Europa sei. Die US-Regierung genieße die volle Unterstützung aus Rom im Handelsstreit mit China. Überhaupt war der Italiener voll des Lobes für den amerikanischen Präsidenten. Italien brauche eine „trumpianische Haushaltspolitik“, tönte der Lega-Chef: „Wir werden die Steuern senken. Damit wird sich die EU wohl oder übel abfinden müssen.“ Italien sei nicht Griechenland, „das die EU ermordet hat“, erklärte er.

Es sei zwar sein erklärtes Ziel, daß die Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung bis Ende der Legislaturperiode 2023 im Amt bleibe, „aber wir sind in erster Linie unseren Bürgern verpflichtet“. Auf dem EU-Gipfel in der vergangenen Woche war Italien nur am Rande ein Thema. Salvinis Lob für Trump wurde allerdings mit Argwohn registriert.