© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/19 / 28. Juni 2019

Mißtrauen statt Einheit
Alternative Medien I: Schwere Vorwürfe gegen Videoreporterin Lauren Southern und ihr Team
Ronald Berthold

Ein Verrats- und Betrugsskandal erschüttert die englischsprachige rechtkonservative Medienszene. Opfer sind unter anderem die bekannten Protagonisten Milo Yiannopoulos, Tommy Robinson, Gavin McInnes und Ezra Levant. Alles begann mit einer zunächst für migrationskritische Journalisten enttäuschenden Erklärung der kanadischen Produzentin und Videojournalistin Lauren Southern. Kurz nach der Veröffentlichung ihres mit Spannung erwarteten zweiten einwanderungskritischen Dokumentarfilms „Borderless“ („Grenzenlos“) hatte die 24jährige ihren publizistischen Rückzug bekanntgegeben.

Nach eigenen Angaben wolle sie sich mehr um ihre Familie, die Familienplanung sowie ihr Studium kümmern und nicht mehr so öffentlich leben wie bisher. Gleichzeitig betonte sie, wie sehr sie die Arbeit der nonkonformen Kollegen schätze: „Ihr werdet immer meinen Respekt und meine Unterstützung haben.“ Gemeinsam habe man „grundstürzende Reportagen in den alternativen Medien“ gemacht, wichtige Diskussionen beeinflußt und einen Wandel bewirkt: „Das kann uns keiner nehmen.“

In den vergangenen vier Jahren hatte Lauren Southern sich in diesem Spektrum als weltweit agierende Enthüllungsjournalistin einen Namen gemacht. In einer Rede im EU-Parlament und in ihrem Film bemüht sich Southern zudem, ihre Sichtweise auf die „Flüchtlingskrise“ als mittlerweile differenzierter darzustellen. Gerade durch die Dreharbeiten, „das Treffen mit den Menschen, im Zentrum der Verschiffungen, der NGO-Einsätze, der Camps zu stehen“, hätte ihr bewußt gemacht, daß es zwischen Schwarz und Weiß „viel mehr Grau gebe, als sie sich jemals hat vorstellen können“, betont Southern am Ende von „Borderless“.

Kritiker sehen in diesen abgeschwächten Äußerungen eine versöhnliche Rückzugstaktik, um sich Möglichkeiten im Mainstream offenzuhalten. Ob die für ihren Rückzug angegebenen Gründe die einzigen oder ausschlaggebenden sind, ist ebenso zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist, daß Spitzeleien und kriminelle Machenschaften ihres Teams zu diesem Schritt geführt haben. Milo Yiannopoulos schrieb auf seinem Blog dangerous.com, daß Southerns Mitarbeiter Caolan Robertson und George Llewelyn-John „seit Jahren“ mit der britischen antifaschistischen Vereinigung „Hope Not Hate“ kooperierten. Für den politischen Gegner sollen die beiden, die als homosexuelles Paar zusammenleben, die anglophone rechte Blogger-Szene bespitzelt haben. 

Mitarbeiter sollen Journalisten erpreßt haben

Unter anderem hätten sie – so Yiannopoulos – das Leben Robinsons riskiert, indem sie der Antifa dessen Wohnadresse verraten hätten. Außerdem gaben sie die Reisepläne des kanadischen „Proud Boys“-Gründers Gavin McInnes weiter und setzten damit auch dessen Leben aufs Spiel. Gleichzeitig sollen die Männer, von denen George Llewelyn-John zuvor eine Transgender-Frau war, die alternativen Journalisten erpreßt und viel Geld veruntreut haben. Allein Tommy Robinson hätten sie Bitcoins im Wert von 20.000 Dollar gestohlen, während dieser im Gefängnis saß. Über die Kreditkarte von Robinsons Frau sollen sie sich eine teure Wohnung gemietet haben. Mit dem erbeuteten Geld und Sachwerten finanzierten sie laut Yiannopoulos ihren luxuriösen Lebensstil. Dabei mißbrauchten sie offenbar das Vertrauen, das ihnen die populären rechtskonservativen Aktivisten entgegenbrachten, weil sie zum Team der in dem Lager allseits geachteten Southern gehörten. Insider halten Yiannopoulos’ mit Chat-Auszügen untermauerte Darstellungen für glaubwürdig. Eine Anfrage der JF ließ Southern unbeantwortet.

Lauren Southern soll bereits während der Arbeit an der professionellen Doku von den kriminellen Aktivitäten gewußt und sich deswegen kurz darauf zurückgezogen haben. Ob der am rechten journalistischen Himmel aufgestiegene Stern von Anfang an ein U-Boot war, wie nun einige Kommentatoren in den sozialen Netzwerken vermuten, ist genauso unklar wie unwahrscheinlich.  

Für Southern spricht zunächst, daß sie selbst auch Opfer des kriminellen Pärchens geworden sein soll. Zudem war sie für die Fertigstellung ihres Dokuprojekts auf ihr Team angewiesen. Yiannopoulos schreibt, Caolan Robertson und George Llewelyn-John haben die Youtuberin „betrogen“, indem sie ihr überhöhte Rechnungen präsentierten. Andererseits behauptet der 34jährige Blogger, die beiden mutmaßlichen Verbrecher hätten ihre „Missetaten Lauren Southern mitgeteilt“. Diese habe darüber „gelacht und sie weiter angestachelt“.

Der Skandal erreicht damit eine enorme Sprengkraft innerhalb einer Szene, die sowohl von Gesetzen auf nationaler und europäischer Ebene als auch von Unternehmen wie Facebook und Youtube (JF 26/19) in die Zange genommen wird. Statt zusammenzurücken gegen externe Angriffe regiert nun nach innen Mißtrauen. Der Zweifel an der Aufrichtigkeit von Mitstreitern könnte gesät sein. Gerade die englischsprachige Szene bot zuvor kaum bekannten Journalisten rasante Popularitätszugewinne. Fraglich bleibt, inwiefern dieses Klima auf die alternativen deutschen Medien, deren Vertreter sich kürzlich auf Einladung einiger AfD-Abgeordneten im Bundestag trafen (JF 21/19), abfärbt. Auch Yiannopoulos war am Rande des Kongresses erschienen und von den hiesigen Kollegen gefeiert worden.