© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/19 / 28. Juni 2019

Der Hände und des Herzens Werk
Einige schon fast ausgestorbene Berufe erfahren eine Wiederbelebung
Verena Rosenkranz

Ihre Arbeit ist hart und bringt oft wenig Lohn. Sie sind nicht selten die Letzten ihrer Art. Und dennoch fühlen sie sich wie die Ersten von morgen. Mit viel Leidenschaft führen etliche junge Handwerker in seltenen Berufen eine jahrhundertelange Tradition fort, die mittlerweile meist durch moderne Technologie und Automatisierung im Produktionsablauf ersetzt wurde. 

Produkte für Qualitätsliebhaber 

Küfer, Kürschner, Schmiede und Schriftsetzer erleben allerdings trotz preiswerter Alternativen gerade wieder einen kleinen Aufschwung. Ihre Erzeugnisse sind das ganz besondere Sahnehäubchen neben dem unüberblickbaren Billigmarkt aus Fernost. Und wer gerne einen guten Tropfen trinkt oder selbst herstellt, edle Kleidung schätzt, gerne mit präzisen Klingen schneidet oder sich mit einer handgeprägten Visitenkarte vorstellt, weiß das auch zu schätzen.

Wochenlang ist Matthias etwa damit beschäftigt, für ausgewählte Kunden aus edlen Hölzern sein Endprodukt fertigzustellen. Während die meisten Jugendlichen den Begriff „Küfner“ nicht einmal mehr einem Handwerk zuordnen können, verrät der Nachname oft noch den einstigen Beruf der Familie. In diesem Fall sorgten die Vorfahren ebenfalls vier Generationen lang dafür, daß genügend Fässer für die Weinproduktion und Lagerung vorhanden waren. Nur noch selten wird ein solches Faß heute zur Gänze handgefertigt. Günstiges Holz und eine schnelle, teilweise automatisierte Verarbeitung verlangen keinen gesonderten Lehrberuf mehr. Einige wenige haben es dennoch gewagt, das fast ausgestorbene Handwerk wieder aufzunehmen und weiter zu perfektionieren. Und das wissen sowohl Weinbauern als auch Destillateure zu schätzen, die ihren Whisky oder Rum in den mehrfach verwendbaren Fässern ausbauen.

Ähnlich wie dem Küfer erging es in den vergangenen Jahren – nicht zuletzt aufgrund großangelegter Proteste – auch dem Kürschner. Der Rauchwarenerzeuger, wie er auch genannt wurde, verarbeitete Tierfelle zu Pelzbekleidung. Während sogar schon Ötzi als Schutz vor Schnee und Kälte eine wärmende Tierfellbekleidung hatte, geriet das Handwerk mit dem Aufkommen von Tierschutzbewegungen in den siebziger Jahren zunehmend in Verruf. Tatsächlich jedoch wuchs die Pelzindustrie enorm an und es wurden eben nicht mehr nur erlegte Wildtiere sinnvoll verarbeitet, sondern ganze Zuchtfarmen mit teilweise zweifelhaften Methoden eröffnet. 

Der dadurch von mehreren Seiten erzeugte Druck auf das Gewerbe führte dazu, daß kleine und traditionell arbeitende Handwerker vermehrt aufgeben mußten, während die Billigverarbeitung den Markt übernehmen konnte. Wer aufmerksam durch so manches Städtchen auf dem Land spaziert, findet allerdings immer noch einen Kürschner. Jäger bringen die Decke, sprich das Fell des erlegten Wildes, zu ihm, wo es dann behandelt wird. In einem Gerbungsprozeß wird es haltbar und resistent gegen Schädlinge gemacht und zu Vorlegern, Innenfuttern oder Mantelkrägen verarbeitet.

Alternativen zum Supermarkt und zu Fernost

Was neben Nadel und Zwirn dazu vor allem notwendig ist, ist ein scharfes und widerstandsfähiges Messer. Und das bestellt der traditionelle Handwerker nicht auf Amazon, sondern läßt sich vorzugsweise die eigene Klinge vom Schmied des Vertrauens anfertigen. Davon gibt es allerdings gar nicht mehr viele. Angesichts des enormen Kraftaufwands, der nötig ist, um eine Klinge stabil und scharf zu schmieden, zieht es die meisten jungen Männer in weniger anstrengende Berufe. Dabei ist die Arbeit am Feuer der Esse wohl eine der männlichsten, die es heute noch gibt. Schon das Nibelungenlied stellt das Schmiedehandwerk als eine ganz besondere und vor allem essentielle Kunst dar. Heute gibt es nur noch wenige Meister, die ihr Handwerk allerdings verstehen und feinste, individuelle Produkte erstellen, die garantiert nicht im Supermarkt zu finden sind.

Dort, wo es noch möglich ist, ein Werk mit den eigenen Händen zu verrichten, finden sich trotz des vorherrschenden Wahns, unbedingt studieren zu müssen, immer noch Menschen, die das mit Leidenschaft tun.