© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Suche nach dem neuen Kommissionspräsidenten
Brüsseler Mauschelei
Arnulf Rall

Gut die Hälfte aller 560 Millionen EU Bürger stimmten im Mai bei der Europawahl brav ab. Doch nur fünf Wochen später sind die 28 Regierungschefs der Union, plus die großen Fraktionen im Europaparlament, so zerstritten, daß sie sich zunächst nicht auf die Verteilung der vier zu vergebenden Spitzenposten einigen können. Ein Sondergipfel jagte den anderen. 40 Namen waren zwischenzeitlich nach vorsichtiger Schätzung im Umlauf. Wie zu erwarten war, hat die Kanzlerin ihren „Spitzenkandidaten“ Manfred Weber, einen blassen Apparatschik ohne Führungserfahrung, geopfert. 

Dem Wähler wurde davor suggeriert, der Spitzenkandidat der stärksten Parteienfamilie – in dem Fall die EVP – würde den Kommissionspräsidenten stellen. Soviel zum Thema Demokratie in Europa. Stattdessen wurde gemauschelt. Alles mußte stimmen: die Parteifarben, Rot, Schwarz, Gelb, Männlein, Weiblein, Nord, Süd, Ost und West. Ob das Ergebnis des Brüsseler Kuhhandels den Bürgern Europas nützt, steht auf einem ganz anderen Blatt, interessiert jedoch die Gipfelmauschler sicher am wenigsten. Vor allem der öffentlich ausgetragene Streit der führenden Politiker wirft ein fahles Licht auf die sonst so gerne nach außen getragene Harmonie innerhalb der EU, in der am Ende doch nur jeder versucht, seine nationalen Interessen durchzusetzen. Vom Vatikan könnte man lernen, wie man sowas geschickter macht.