© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Ländersache
Mit dem grünen Band der Sympathie
Peter Möller

Es kommt nicht oft vor, daß sich die Grünen in innerparteilichen Auseinandersetzungen gegenseitig Rassismus vorwerfen. Doch nicht nur aus diesem Grund ist die Auseinandersetzung, die derzeit die Hamburger Grünen erschüttert und zu einer Spaltung der Fraktion in der wichtigen Bezirksversammlung von Hamburg-Mitte geführt hat, bemerkenswert. Sie macht gleichzeitig schlaglichtartig die Gefahr deutlich, daß der Erfolg den Grünen buchstäblich über den Kopf wachsen könnte.

Ausgangspunkt für den Streit sind die Wahlen zu den Bezirksversammlungen, die Ende Mai parallel mit den Europawahlen stattgefunden hatten. In Hamburg-Mitte zogen Shafi Sediqi und Fatih Can Karismaz als neue Bezirksabgeordnete für die Grünen in das Kommunalparlament ein. Und damit begann der Ärger: Sediqi und Karismaz wurde von ihrer Partei die Nähe zum islamistischen Extremismus vorgeworfen.

Sediqi soll dreimal für die islamistisch-salafistischen Hilfsorganisation Ansaar International gespendet haben. Die Spenden für zwei Waisenhausprojekte in Nigeria und Ghana sowie ein Krankenhaus im syrischen Aleppo hatte Sediqi auf Facebook publik gemacht. Er bestreitet jedoch, von der Nähe der Organisation zum Islamismus gewußt zu haben. Karismaz wird die Nähe zur türkisch-islamistischen Bewegung Milli Görüs vorgeworfen. Karismaz bezeichnete die Vorwürfe als „unkollegial und verletzend“. Schnell machte in der Partei der Vorwurf des Rassismus die Runde.

Als Konsequenz aus den Anschuldigungen wurde den beiden neuen Abgeordneten die Aufnahme in die Grünen-Fraktion verweigert. Daraufhin erklärten sich aus Protest vier weitere Abgeordnete solidarisch mit den ausgegrenzten Parteifreunden und kehrten der Fraktion den Rücken und gründeten gemeinsam mit Sediqi und Karismaz kurzerhand eine zweite Grünen-Fraktion. Dadurch blieben die Grünen, sehr zum Ärger der Parteiführung, trotz ihres Siegs bei der Bezirksversammlungswahl nur zweitstärkste Fraktion hinter der SPD. 

Wegen parteischädigenden Verhaltens forderte der Landesvorstand der Grünen die abtrünnigen Abgeordneten daraufhin ultimativ auf, bis Montag aus der Partei auszutreten. Da die Betroffenen dem nicht nachgekommen sind und ihnen nun ein Parteiausschlußverfahren droht, könnte den Grünen nun ein kräfteraubender und medienwirksamer Rechtsstreit bevorstehen. Als brisant für die Grünen könnte sich unterdessen eine Deutung der Affäre erweisen, die derzeit in Hamburg die Runde macht: Demnach sind Sediqi und Karismaz möglicherweise gezielt den Grünen beigetreten, um die Partei islamistisch zu unterwandern. Als Argument für diese These wird das starke Wachstum der Grünen nicht nur in Hamburg angeführt. Nicht immer ist dabei klar, wer aus Begeisterung für die Ziele der Partei beitritt – oder aber wer es einfach auf einen Posten abgesehen hat und eine ganz eigene Agenda verfolgt. Denn wer genügend Unterstützer mitbringt – also über ein gut organisiertes Umfeld verfügt –, hat es relativ leicht, auf einem aussichtsreichen Platz für eine Bezirksversammlung zu kandidieren. Ein mögliches Einfallstor auch für Islamisten. 

Der zuständige Kreisverband Hamburg-Mitte will daher künftig jedes potentielle Neumitglied zu einem Kennenlerngespräch einladen, um die Motivation genauer zu überprüfen.