© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

„Unsere Strukturen sind überfordert“
Terrorexperte Irfan Peci: Syrien-Rückkehrer bleiben radikal
Christian Rudolf

Die Zahl der Rechtsextremisten hat einen Höchststand erreicht. Die Hälfte von ihnen gilt als gewaltbereit. Reicht die Präventionsarbeit der Behörden nicht aus?

Irfan Peci: Was in der öffentlichen Auseinandersetzung immer gerne vergessen wird, ist, daß die größte rechtsextreme Einzelgruppe hierzulande die türkischen Grauen Wölfe sind. Der Verfassungsschutz hat sie selbstverständlich auf dem Schirm und gibt ihre Zahl mit 11.000 Anhängern an. Andere Schätzungen kommen auf mindestens 18.000 Mitglieder in allen drei Dachverbänden zusammen. Überwiegend unterstützen sie Erdogan, ihr Weltbild ist ultra-nationalistisch, rassistisch und antisemitisch, die reinste Parallel- und Gegengesellschaft. Aber in der Debatte kommen sie so gut wie nicht vor. Weil es keine Deutschen sind, blendet man die aus, verschweigt sie. Das ist natürlich problematisch.

Bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes für 2018 sprach Innenminister Seehofer von „geistigen Brandstiftern“, die nicht weniger gefährlich als Gewalttäter seien. Sie arbeiten im Präventions- und Deradikalisierungsbereich. Mit welchen geistigen Brandstiftern haben Sie es zu tun?

Peci: Mit islamistischen Haßpredigern, die in Moscheen und Veranstaltungen predigen, aber vor allem ihren Haß im Internet durch Vorträge verbreiten. Sie schüren den Haß auf Staat und Gesellschaft und allgemein auf alles Unislamische und hetzen so die Muslime auf.

Was haben Sie sich zur Aufgabe gesetzt?

Peci: Falsche Narrative zu widerlegen und so zu bekämpfen. Was verbreiten die, was können wir darauf entgegnen, im Netz oder in Gesprächen? Auf meinem Youtube-Kanal zum Beispiel setze ich der Ideologie eine alternative, gute Botschaft entgegen. Wirksam ist es, die zur Schau gestellte Frömmigkeit von Haßpredigern als Heuchelei zu entlarven.

Dschihadisten werden laut Bundesamt im wesentlichen aus der sehr dynamischen Salafistenszene rekrutiert.

Peci: Zum Salafismus stoßen ganz überwiegend Einwanderer. Innerhalb der zurückliegenden acht Jahre ist die Zahl der Salafisten auf jetzt 11.300 gestiegen. Das ist beinahe eine Verdreifachung, die um so eindrücklicher wirkt, wenn Sie sie in Relation setzen: Die Links- und Rechtsextremisten, die zusammengezählt mit 56.100 angegeben werden, rekrutieren sich aus 62,5 Millionen Deutschen ohne Migrationshintergrund, wohingegen es ganze 11.300 Salafisten gibt bei lediglich vier bis fünf Millionen hier lebenden Muslimen.

Das Bundesamt warnt vor dem hohen Gefährdungspotential salafistischer Gewalt. Perspektivisch könnten zurückkehrende Familienverbände mit dschihadistisch sozialisierten Jugendlichen aus Kampfgebieten eine neue Dynamik des Terrors auslösen. Kann es funktionieren, diese Menschen zu entradikalisieren?

Peci: So pauschal schwer zu sagen. Es kann vereinzelt funktionieren, bei Rückkehrern, die desillusioniert sind und sich von der islamistischen Ideologie abgewendet haben. Jedoch wird dies in der Masse nur schwer möglich sein, man hat ja schon mit den Radikalisierten hierzulande genug zu tun. Hunderte neue Fälle werden nur schwer zu bewältigen sein.

Das heißt, man kann eigentlich wenig machen?

Peci: In Einzelfällen ja, in der Menge jedoch unwahrscheinlich. Zum einen sind die vorhandenen Strukturen überfordert, sie sind unterfinanziert und haben nicht die Kapazitäten, die für diese Masse an Kandidaten eigentlich nötig wären. Zum anderen: Klassischer Sozialarbeit bei kriegserprobten Schwerkriminellen stelle ich geringe Erfolgschancen in Aussicht, das ist etwas realitätsfremd. Sozialarbeit als Lösung für jedes Problem zu betrachten ist Phantasiedenken und völlig utopisch. Gerade bei Islamisten und Kriminellen unter Flüchtlingen sollte man eher daran arbeiten, sie abzuschieben oder sie gar nicht erst einreisen zu lassen.






Irfan Peci, Jahrgang 1989, ist Mitglied im Expertenrat Baden-Württembergs gegen Antisemitismus. Er setzt sich in der Präventionsarbeit für die De-Radikalisierung junger Moslems ein.

 www.irfan-peci.com