© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Grüße aus Pozuzo
Schnitzel im Regenwald
Jörg Sobolewski

Nach einem Monat in den Hochanden, bei Huhn und Quinoa, klingt das Versprechen auf ein echtes Schnitzel wie die Verkündigung der baldigen Ankunft des Heilands: „Ihr müßt nach Pozuzo! Da gibt es deutsches Bier und deutsches Schnitzel. Mitten im Regenwald!“ 

Also machen wir uns auf den Weg in das deutsche Siedlungsgebiet Perus. Anders als in Chile leben dort vor allem Nachfahren Tiroler Einwanderer. Katholisch und abgeschieden wie ihre Heimat präsentiert sich auch das Pozuzo der Neuen Welt. Nur durch eine mehrtägige Fahrt mit Bus und Sammeltaxi erreichbar, werden die letzten Kilometer zu einer Tortur inmitten einer grünbraunen Hölle aus Steinschlägen, Erdrutschen, steilen Abhängen und Wasserfällen. 

Dann, ganz plötzlich, öffnet sich das Tal und die erstaunten Augen erblicken eine Landschaft, die wirklich in Tirol sein könnte. Bis auf die Papageien und die Orchideen natürlich. Aber sonst? Schwarz-weiße Kühe, prächtige Holzhäuser und deutsche Gasthäuser laden zum Verweilen ein. Beim „Traditionellen Pozuziner“ kehren wir ein, bestellen Schnitzel, Gulasch, Bier und werden nicht enttäuscht. Köstlich. Die Zitrone auf dem Schnitzel hat eine orangene Farbe, das Bier ist mit Kokablättern gebraut und das Gulasch hat eine etwas exotische Note, aber alles erkennbar heimatnah.

Die Mädchen tragen ein Dirndl als Schuluniform, aber ihr Deutsch bleibt holprig.

So schwelgen wir im Heimweh, essen und trinken und vergessen darüber fast, daß noch niemand in unserer Muttersprache mit uns gesprochen hat. Auch am Abend in der Schenke der lokalen Brauerei bleibt das so, und je mehr Liter Kokabier in unsere Kehlen rinnen, umso schmerzlicher vermissen wir den Klang der Heimat. Wirklich? Keiner spricht mehr Deutsch? 

Am nächsten Tag bietet sich dasselbe Bild. Wohl tragen die Mädchen der lokalen Schule ein Dirndl als Schuluniform und lernen Deutsch, aber ihr Deutsch bleibt erlernt und holprig. 

Satt, aber dennoch etwas enttäuscht beschließen wir Sport zu treiben und begeben uns auf einen Dauerlauf durch das Dorf und seine Weiler. Plötzlich hält ein Bauer am Rand inne und ruft uns in bestem Tirolerdeutsch an. Verdutzt bleiben wir stehen, und ehe wir fragen können, winkt er  lachend ab: „Wer außer Deutschen rennt denn bei 30 Grad im Schatten und bei der Luftfeuchtigkeit durchs Tal?! Herzlich willkommen in Pozuzo!“ Dann geht er zurück an seine Arbeit und wir bleiben verblüfft und glücklich zurück: Es gibt noch Deutsche in Pozuzo.