© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

EU versucht die Schweizer zu erpressen
Nicht mit dem Volk gerechnet
Carsten Müller

Keine Rosinenpickerei mehr: Nach den harten Brexit-Verhandlungen (mit noch ungewissem Ausgang) sucht die EU die nächste Konfrontation, diesmal mit der Schweiz. Es geht konkret um das sogenannte Rahmenabkommen zwischen den Eidgenossen und der EU. Dieses Abkommen soll klären, unter welchen Voraussetzungen die Schweiz in Zukunft weiter den Zugang zum EU-Binnenmarkt erhält. Dagegen regt sich Widerstand in der Schweiz. 

Dies gilt insbesondere für Fragen wie eine dynamische Übernahme von EU-Recht oder zum Thema Lohnschutz. Eine ziemlich verfahrene Situation: Die EU drängt auf den Vertragsabschluß, auf der anderen Seite versucht die Schweiz, die Verhandlungen hinauszuzögern. Brüssel reicht es nun und versucht, Druck aufzubauen. Erstes Opfer ist der Börsenhandel. Denn seit dem 1. Juli erteilt die EU der Schweizer Börse SIX nicht mehr die Börsenäquivalenz, also die Gleichwertigkeit mit EU-Handelsplätzen. Politisch ein Affront, der in seiner praktischen Wirkung aber gegen null geht. Zwar dürfen Schweizer Aktien nicht mehr an EU-Börsen gehandelt werden. 

Doch schon zuvor liefen rund 70 Prozent des Handels über die Schweizer Börse, die nun mehr Geschäft auf sich ziehen kann. Dies unter der realistischen Annahme, daß viele Marktteilnehmer weiterhin ein großes Interesse an Schweizer Aktien haben. Also eher ein Sturm im Wasserglas, der ein Verfallsdatum hat. Denn ein Großteil des bisherigen Auslandsgeschäftes lief über Londoner Plattformen. Diese müssen zwar aktuell aussetzen. Doch nach einem Brexit dürften die alten Verbindungen schnell wiederhergestellt sein. Die EU selbst will zwar mit dieser Maßnahme Härte zeigen gegenüber der Verzögerungstaktik. Doch könnte dies am Ende kontraproduktiv sein, da auch diese eigentliche Symbolhandlung die Schweizer Wähler, die am Ende wohl über das Rahmen­abkommen abstimmen werden, auf die Seite der Gegner treiben könnte.