© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

CD-Kritik: Jacques Offenbach
Marianne & Germania
Jens Knorr

Das gravierende kulturelle Gefälle von der französischen zu der deutschen Offenbach-Rezeption dokumentiert eine Jubiläumsbox mit Aufnahmen aus den Archiven der in die Warner Group aufgegangenen Labels. Sie ermöglicht den direkten Vergleich zwischen „Orphée“ und „Orpheus“, „Hélène“ und „Helena“, La vie parisienne“ und „Pariser Leben“, jeweils dirigiert von Michel Plasson und Willy Mattes, „Grande-duchesse“ unter Jean-Pierre Marty mit „Großherzogin“ unter Pinchas Steinberg und „Les Contes d’Hoffmann“ in der von Oeser vervollständigten Version unter Sylvain Cambreling mit „Hoffmanns Erzählungen“ in der traditionellen Version von Choudens unter Heinz Wallberg. Zum Weghören: der unsägliche Ballett-Verschnitt „Gaité Parisienne“, orchestriert und dirigiert von Manuel Rosenthal; zum Hinhören: die sechs Fabeln nach La Fontaine, gesungen von François Le Roux.

Dem Hörer erscheint es so, als liebten die Franzosen in der einen Marianne alle ihre Frauen, die Deutschen in allen ihren Frauen die eine Germania. Jene führt leichttaktig in luftigem Kleid das Volk an und auf die Barrikaden, diese sitzt wachend am Rhein, und würde sie je aufstehen, so gewiß schwertaktig über ihr unpraktisch Rüstgewand stolpern und kopfüber in den Fluß stürzen, vom Hohnlachen der Loreley, Rheintöchter und -nixen verfolgt.

Jacques Offenbach The Operas & Operettas Collection 30 CDs  Warner Classics 2019  warnerclassics.com