© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Kampf der Geschlechter
Russische Oligarchen in der Wiener Schickeria: Elena Tikhonovas Filmkomödie „Kaviar“ bedient alle möglichen Rollenklischees
Sebastian Hennig

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Die besten Scherze knüpfen sich an Verhältnisse, die nüchtern betrachtet eigentlich eher nicht zum Lachen sind. Aber so funktionieren Filmkomödien. Sie erfordern eine Grundplausibilität. Denn ohne reale Anhaltspunkte der Handlung würden diese kaum witzig wirken. Die russisch-österreichische Kulturschock-Kömodie „Kaviar“ ist eine derbe Klamotte über Korruption und Triebhaftigkeit.

Wenn die Kinokritikerin des österreichischen Kurier feststellt, daß der Film von der Staatsaffäre um das Ibiza-Video profitieren könnte, weil der „Komödienstoff plötzlich hart an der Realität anstreift“, dann lädt sie damit indirekt zu einer medienkritischen Analyse beider Inszenierungen ein, in denen wir Wirklichkeit und Simulation auf verwirrende Weise verschränkt wahrnehmen.

Das Langfilmdebüt der in Wien lebenden Regisseurin und Drehbuchautorin Elena Tikhonova strahlt eine bunte Hektik aus. Jede innere Regung explodiert sogleich in einer wilden Grimasse. Gefühlsaufwallungen werden in hektische Bewegungen abgeleitet. Von einer kulturellen Verwerfung kann nur bedingt die Rede sein. Jene Russen, die im Beisel zum Wiener Würstchen den Heurigen schlürfen, erweisen sich der aalglatten Wendigkeit der dortigen Schickeria wert.

Diese Parade von sich vertragendem und sich schlagendem Pack wird manipuliert durch drei Frauen, welche die Allüren der geltungssüchtigen Männer schließlich satt bekommen. Der Aufstand der Subalternen gegen die Parvenus wird überlagert von einem Geschlechterkampf. Dabei ähneln die Motive der Rebellen denen ihrer Gegner wie ein Ei dem anderen. Auch sie zerfallen schließlich aus Eifersucht miteinander in einer alkoholgesättigten Feierstunde. Die Regisseurin benennt die eigene Erfahrung im neuen Lebensumfeld als Anregung für ihre Filmposse. Im Ausland erfolgt die Verbrüderung mit Landsleuten, mit denen man in der Heimat nie zusammengekommen wäre.

Die Frauen wollen an das Geld der Betrüger

Der Darsteller des Oligarchen Igor, Michail Ewlanov, ist in Rußland eine Berühmtheit. Er wurde 2005 durch seine Mitwirkung am Afghanistankriegsfilm „Die neunte Kompanie“ von Fjodor Bondartschuk bekannt und spielte 2007 die Titelrolle in der Abenteuerphantastie „Junger Wolfshund“. Ewlanov spricht im Film wie im Leben lediglich seine Muttersprache.

Als Igors rechte Hand fungiert Nadja (Margarita Breitkreiz). Eine gebildete und ehrgeizige Russin, attraktiv, jedoch von den unablässigen Launen ihres Chefs etwas verspannt. Teresa (Sabrina Reiter), die Betreuerin ihrer Kinder, ist nahezu das Gegenteil. Neben ihrem Gelegenheitserwerb stellt sie Kunstobjekte her, die im doppelten Sinne antikapitalistisch sind, zum einen durch die Botschaft und sodann weil sie unverkäuflich sind.

Gewissermaßen verkauft hat sich die russische Blondine Vera (Daria Nosik) an den schmierigen Klaus (Georg Friedrich). Sie begegneten sich über das Internet. Klaus kennt nur zwei Empfindungen: Brunst und Geldgier. Als Ehefrau Vera eines besonders plumpen Seitensprungs gewahr wird, ist einerseits ihr Ehrgefühl verletzt, zugleich sorgt sie sich um den Verlust des gewohnten Komforts an Klaus’ Seite.

Der hat im Handumdrehen eine Geschäftsbeziehung zum Chef von Veras Freundin Nadja angebahnt. Denn Igor will sich eine prachtvolle Villa im ersten Wiener Bezirk bauen. Beim Blick aus dem Fenster fällt ihm die Schwedenbrücke über den Donaukanal ins Auge. Sofort kommt ihm die fixe Idee, dort müsse sein Haus entstehen. Der feste Wille und das harte Geld sind alles, was er dazu beitragen kann. Klaus empfiehlt dafür seinen Juristen-Freund Ferdinand (Simon Schwarz): „Er kennt jedes Gesetz und weiß, was man dagegen tun kann.“ Später kommt noch der Lokalpolitiker Hans Cech (Joseph Lorenz) ins Spiel.

Die beiden Russinnen haben den Männern die längste Zeit Gutes getan. Nun wollen sie nur noch deren Bestes, nämlich das Geld. Teresa wird zur natürlichen Verbündeten. Die alternativen Träume von einer Umverteilung münden im Betrug an den Betrügern.

Tikhonova ist sich bewußt, daß ihr Film alle möglichen Rollenklischees bedient. Auf sexistische Stereotype vermag sie kaum zu verzichten, wenn sie billigerweise unterhalten will. Auf dem Niveau ihres Filmes sichern vor allem drei Arten von Witzen den Lacherfolg: jene, die zusammenhängen mit dem niederen Eros, dem Fäkalhumor und der simplen Schadenfreude. Das ist freilich ein zeitloses Erfolgsrezept.

Filmstart am 4. Juli 2019

 www.camino-film.com