© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

Politische Argumente in einer Seifenoper
Film im Film: Die Komödie „Tel Aviv on Fire“ von Regisseur Sameh Zoabi thematisiert den Dauerkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern
Dietmar Mehrens

Sechstagekrieg 1967 und „Tel Aviv on Fire“. Was klingt wie ein zünftiger Nahost-Kriegsfilm, ist in Wahrheit nur der reißerische Titel einer Seifenoper, die Israelis und Palästinenser gleichermaßen begeistert, zumindest in der gleichnamigen Mediensatire von Sameh Zoabi, in der sich Fiktion und Wirklichkeit mehr als einmal überlagern.

Im Zentrum der Handlung steht der palästinensische Filmpraktikant Salam, der aussieht wie der junge Clive Owen, doch wie das so ist beim Film: Der Schein trügt, Hauptdarsteller ist der hierzulande unbekannte Kais Na-shif. Der von Nashif verkörperte Salam hofft auf einen Seiteneinstieg bei der Serienproduktion. Als der ambitionierte Praktikant sich bei einer Grenzkontrolle wichtig zu machen versucht, um das Verfahren zu beschleunigen, wird der israelische Kommandeur Assi auf ihn aufmerksam. Der ist, wie seine ganze Familie, ein Fan der Serie, aber mit der Entwicklung der darin erzählten Liebesgeschichte zwischen weiblicher Hauptfigur und israelischem General ganz und gar nicht einverstanden.

Verbindung zu realen politischen Widrigkeiten

Prompt beginnt Assi damit, seine Checkpoint-Macht auszunutzen, um am Skript herumzudoktern. Die neue Richtung, die die Seifenoper nimmt, wird ein Bombenerfolg. Also geht die zunächst unfreiwillige Zusammenarbeit zwischen Salam und Assi weiter. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Produktion. Es kommt zu Verwerfungen innerhalb der Produktionsmannschaft.

Geschickt verbindet Regisseur Sameh Zoabi seine satirische Filmhandlung mit den realen politischen Widrigkeiten, die der Dauerkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern auch ein halbes Jahrhundert nach dem Sechstagekrieg noch mit sich bringt. Eine dieser Widrigkeiten ist der streng kontrollierte Grenzverkehr, durch den Drehbuchassistent Assi ins Spiel kommt. Über die gesamte Spieldauer verfestigt sich jedoch der Eindruck, daß die internationale Koproduktion viel Potential ungenutzt läßt, daß die Film-im-Film-Konstellation noch viel mehr Situationskomik und subversiven Witz hergegeben hätte. Etwa so wie in der israelischen Komödie „45 Minuten bis Ramallah“ (2013) von Regisseur Ali Samadi Ahadi, die ebenfalls den kleinen Grenzverkehr zwischen Israel und Palästinensergebieten als Folie für turbulente Verwicklungen nutzte und vor Witz und Energie sprühte.

Konflikt mit stutenbissiger Drehbuchautorin

Der Vergleich mit Hollywood-Produktionen, die sich der eigenen Branche annahmen, um deren doppelte Moral auf die Schippe zu nehmen („Die Muse“, „Hurlyburly“) oder gar sorgsam verborgene kriminelle Energien zu enthüllen („The Player“) zeigt, wieviel Luft nach oben es beim Dreh dieser Mediensatire gegeben hat. So hätte man etwa vom Konflikt mit der stutenbissigen Drehbuchautorin, der Salam durch seine Vorschläge für den Fortgang der Handlung in die Parade fährt, gern mehr gesehen. Eine Ironisierung der subtilen Massenmanipulation, der fein dosierten Beimengungen, durch die Autoren und Produzenten ihre politische Agenda unters Volk bringen, ist schließlich ein eher unterrepräsentiertes, sträflich unreflektiertes Thema im westlichen Mediendiskurs.

Der Streit zwischen Autorin und Produzenten, die ihre jeweilige Sicht mit politischen Argumenten zu unterfüttern versuchen, verweist darauf, daß Film immer auch ein Propagandamittel ist. „Zionistische Propaganda“, wettert demgemäß die Autorin, als durch den Eingriff des Kommandanten Assi der israelische Serien-General aufgewertet wird, und versucht so ihr künstlerisches Versagen durch ein politisches Argument zu kaschieren.

Sie wirft damit zugleich ein erhellendes Streiflicht auf die Situation von Kunst und Kultur in den Staaten des Westens, wo Kunst vor allem politisch korrekt sein muß. Was aber, wenn genau das Gegenteil den Erfolg bringt? Man kann dem Film „Tel Aviv on Fire“ auf jeden Fall dankbar sein, daß er das mal zum Thema gemacht hat.

„Nicht alles ist politisch“, rechtfertigt der Produzent den kleinen pro-israelischen Schlenker in der Storyline, „die Serie ist romantisch“. Für Romantik bleibt in einem kleinen Nebenstrang – Salam versucht die Tochter eines Ladenbesitzers zu beeindrucken – auch noch Platz. Alles in allem bleibt die Komödie aber, genau wie ihre Hauptfigur, viel zu brav und bieder, um so viel Euphorie zu entfachen wie die Seifenoper, von der sie handelt.