© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/19 / 05. Juli 2019

„End of Landschaft“
Kritiker feinden einen Dokumentarfilmer an, der die Probleme der Windkraft aufzeigt
Bernd Rademacher

Dem Dokumentarfilm „End of Landschaft“ bläst buchstäblich viel Wind entgegen, denn es handelt sich um eine kritische Bestandsaufnahme der Windkraftindustrie. Die Dokumentation demontiert das Narrativ vom „Wind, der keine Stromrechnung schickt“, und zeigt die negativen Auswirkungen auf eine stabile Energieversorgung, auf Mensch und Umwelt. In Württemberg schickte die Geschäftsführerin eines Ökostrom-Anbieters ein denunziatorisches Pamphlet mit Schmähungen gegen den Dokumentarfilmer an den Rat der Gemeinde Kleines Wiesental. Und im Rhein-Lahn-Kreis versuchten Grünen-Anhänger einen Windkraft-Lobbyisten als „unabhängigen Experten“ in eine Podiumsdiskussion zum Film zu mogeln.

Dabei ist der Filmautor, Jörg Rehmann, aus dem Hunsrück kein grundsätzlicher Gegner der erneuerbaren Ener­gien. Aber er hält die deutsche Energiepolitik für entgleist, weil sie nicht auf Praxistauglichkeit, sondern Ideologie basiert. Er sagt, „eine rigide Ermöglichungspolitik“ ohne „planerische Qualität“ sei für eine „fehlgesteuerte Energiewende“ verantwortlich, die schon jetzt große „Schäden an der Umwelt anrichtet.“

Und das für eine fragwürdige Wirtschaftlichkeit: Bläst an der Nordsee starker Wind, werden Überkapazitäten erzeugt; herrscht gleichzeitig in Süddeutschland Flaute, entsteht dort eine Deckungslücke. Da große Stromtrassen fehlen, können die Defizite nicht ausgeglichen werden. Die Überschüsse nehmen nahe Nachbarländer ab, um die Netzstabilität nicht zu gefährden. Sie verbrauchen diese in Blindturbinen. Am 6. Juni beispielsweise wurde mittags Strom nach Österreich exportiert und gleichzeitig aus Frankreich, Dänemark und der Schweiz importiert. Für beides zahlt der deutsche Stromkunde. Die Anlagenbetreiber verdienen an staatlicher Einspeisungsvergütung. Prinzip: „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.“

Der Film zeigt Umwelt- und Gesundheitsaspekte

Hauptmotiv des Films sind jedoch gesundheits- und umweltschädliche Aspekte. Diese werden verstärkt durch das sogenannte „Re-Powering“: kleinere Anlagen der frühen Generationen werden durch größere und leistungsstärkere ersetzt. Dies erhöht Emissionen von Infraschall – von tiefen Frequenzen unter 20 Hertz, die wir nicht verarbeiten, die unser Innenohr aber registriert. Sie entstehen jedesmal, wenn ein Rotorblatt den Turm passiert und große Luftmengen komprimiert. Das Bundesamt für Geowissenschaften wies die Vibrationen des Infraschalls durch Mikrobarometer noch in mehreren Kilometern Entfernung von Windkraftanlagen nach. HNO-Experten der Uniklinik Mainz fanden in drei Versuchsreihen heraus, daß Infraschall die Herzmuskulatur schwächen und Schwindel sowie Unwohlsein auslösen kann. Nicht umsonst experimentierte die US-Armee mit Infraschall als Kriegswaffe.

Das Bundesumweltamt faßt aber bei seinen eigenen Meßverfahren nach DIN-Norm die einzelnen Frequenzen zu gemittelten „Frequenzbändern“ zusammen; glättet dadurch die Spitzen der Meßwerte – und kommt so stets zu dem Ergebnis, daß Windräder bei einem Mindestabstand von 700 Metern zu Wohnhäusern keinerlei Beeinträchtigungen auslösen.

Nicht nur belästigend, sondern tödlich sind Windkraftanlagen für Vögel, Fledermäuse und Insekten. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat einen jährlichen Verlust von über 1.000 Tonnen Insekten errechnet, was sich wiederum auf kleine Vögel auswirkt. Laut Report der Deutschen Wildtier-Stiftung töten Windräder pro Jahr bis zu einer Viertelmillion Fledermäuse und mehr als 12.000 Greifvögel. Die Dunkelziffer ist hoch, weil getötete Tiere von Füchsen, Mardern und Krähen verschleppt werden. In Altenbeken bei Detmold sollen Windkraftinvestoren Personen für die heimliche Entsorgung getöteter Vögel bezahlt haben, behauptet die Bürgerinitiative „Gegenwind Borchen“.

Greifvögel sehen die Rotoren nicht kommen

Ein Falkner des Ordens Deutscher Falkoniere erklärt der JUNGEN FREIHEIT, daß nicht nur die hohe Geschwindigkeit der Rotorblätter von bis zu 300 Kilometern pro Stunde das Problem sei: Greife verarbeiten optische Eindrücke anders und verknüpfen Einzelbilder aus verschiedenen Perspektiven zu einer Bildtiefe, um Entfernungen abzuschätzen. Als Predatoren sind sie dabei optisch nach vorne ausgerichtet und nehmen, ähnlich wie Kinder im Straßenverkehr, Gefahren von der Seite oder Oben schlecht wahr.

Das „Helgoländer Papier“ der Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten warnt vor einem Zusammenbruch ganzer Artenbestände. Das betrifft vor allem den streng geschützten Rotmilan. Für den Beutegreifer mit dem charakteristisch gegabelten Stoß seien Windräder „Todesursache Nummer eins“. In Deutschland liegt die Hälfte seiner weltweiten Brutgebiete, daher falle uns eine besondere Verantwortung beim Schutz zu.

Ein Teil dieser Brutplätze liegt im Reinhardswald. Das Mittelgebirge zählt zu den größten zusammenhängenden Waldgebieten Hessens und enthält ökologisch wertvolle Urwälder. Dort sollen über 50 Windkraftanlagen einer neuen Generation entstehen, die höher sind als der Kölner Dom: 241 Meter hoch und mit einem Rotordurchmesser von 150 Metern. Die Rotorkreisfläche ist über 17.000 Quadratmeter groß – und damit etwa doppelt so groß wie ein durchschnittliches Bundesligaspielfeld. Zu Recht protestieren Öko-Aktivisten gegen den Fischfang mit Schleppnetzen; Windkraftanlagen wirken als „Schleppnetze der Lüfte“.

Das ist in Hessen nur möglich, weil dort im Gegensatz zu anderen Bundesländern Windkraftanlagen in Waldgebieten nicht verboten sind. Dadurch, daß sich der Wald im Landeseigentum befindet, ist den Bürgerinitiativen vor Ort der Klageweg verwehrt. Klagen könnte hier nur ein Verband wie Greenpeace oder der BUND, doch die wollen sich mit der Windkraftlobby nicht anlegen. Dabei schreibt selbst der Naturschutzbund (NABU) auf seiner Internetseite: „Der NABU ist enttäuscht von der mangelnden Bereitschaft, ein real existierendes Artenschutzproblem anzuerkennen und gemeinsam an sinnvollen Lösungen für eine naturverträgliche Energiewende zu arbeiten.“ Kann das Vorhaben nicht verhindert werden, wird der Reinhardswald als „vorgeschädigt“ eingestuft und verliert seinen Schutzstatus, so daß absehbar ist, daß viele weitere Anlagen folgen werden.

 www.joerg-rehmann.de 

 www.rettet-den-odenwald.de

 www.rettet-den-reinhardswald.de