© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Grünen-Politiker wechselt zu Monsanto
Ethische Turnübungen
Boris T. Kaiser

Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen, sagt man. Aber auch auf einem Kissen voller Geld soll so mancher sehr zufrieden schlummern. Um den Spagat zwischen Mammon und Moral hinzubekommen, sind mitunter charakterliche Verrenkungen nötig, die einem einiges abverlangen. Vor allem, wenn es sich um eine Hypermoral handelt, die dem Geschäft, aus dem man Kapital schlagen will, ganz und gar widerspricht. Einer der diese ethische Turnübung gemeistert hat, ist der ehemalige Grünen-Politiker Matthias Berninger.

1994 zog er mit 23 Jahren in den Bundestag ein. Heute ist er Chef-Lobbyist beim Monsanto-Mutterkonzern „Bayer“. Den Job abzulehnen hätte sich Berninger, wie er selbst sagt, „nie verzeihen können“. Nicht trotz, sondern wegen Monsanto, behauptet der Grüne, ohne rot zu werden. Der Konzern könne entscheidend dazu beitragen, die großen Probleme der Menschheit zu lösen, nämlich die Ernährung der wachsenden Bevölkerung und die medizinische Versorgung. Diese Sorge trieb ihn wohl schon bei seinem vorherigen Arbeitgeber, dem US-Süßwarenhersteller Mars, um und an. Zu jenem war der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, unter Renate Künast, bereits 2007 verfrüht gewechselt. Trotz Wiedereinzug als Abgeordneter in den Bundestag 2005.

Für den Bayer-Konzern soll der Grüne nun vor allem das durch die anhaltende Kritik an Monsanto angekratzte Image wieder aufpolieren. Seinen Parteifreunden gefällt das gelinde gesagt gar nicht. Viele geben sich, wie seine alte Fördererin Künast, auf Berninger angesprochen äußerst wortkarg. Er selbst beschreibt das Verhältnis zu seinen einstigen Mitstreitern heute als „weniger herzlich“. Viele wären ihm wohl wohlgesonnener, würde er „guten Lobbyismus“ betreiben. Für Elektroautos, einen Windkraftkonzern oder eine Agentur für Öko-Influencer. Egoismus und Profitgier können Grüne verstehen und verzeihen, den Seitenwechsel nie.