© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Grundlage für Plattformkonzepte
Trotz offener Fragen zu Auftrag und Budget: Öffentlich-Rechtliche weiten Mediatheken aus
Gil Barkei

ARD und ZDF schaffen Fakten im Internet. Während die Politik eine Entscheidung zum Rundfunkbeitrag und -auftrag vor sich herschiebt (JF 25/19) und die Annäherungen etablierter Medienhäuser auf dem Weg zu einer gemeinsamen Plattform (JF 15/19) zwar konstant, aber langsam verlaufen, bauen die Öffentlich-Rechtlichen ihre Mediatheken aus. Damit legen sie auch technische Grundsteine für eventuelle weiterführende Entwicklungen im digitalen Raum.

Zuletzt erklärte ZDF-Intendant Thomas Bellut vor dem ZDF-Fernsehrat, daß sich der Sender Phoenix künftig als Politik-Portal etablieren möchte. Platz, um die Inhalte prominent präsentieren zu können, sollen die ARD- und ZDF-Mediatheken zur Verfügung stellen – aller Dopplung mit Angeboten von tagesschau24 und ZDFinfo zum Trotz. Zusätzlich sind mehr eigene Angebote „für den Digital-Konsumenten“, eine stärkere „Berücksichtigung von Nutzerwünschen“ und mehr Interaktivität geplant.

Junge Generationen im Blick

Phoenix biegt damit auf die Zielgerade zum öffentlich-rechtlichen (Online-)Nachrichtenkanal ein, auch wenn die beiden Programmgeschäftsführer, Michaela Kolster (ZDF) und Helge Fuhst (ARD), den „Spartensender“ weiterhin lediglich als Ergänzung zum ARD- und ZDF-Nachrichtenangebot sehen.

Mit seinem Programm ermögliche der „Ereignis- und Dokumentationskanal“ den Zuschauern „den Zugang und das Verständnis zu demokratischen Abläufen“ und ordne „die Arbeit politischer Institutionen“ ein, betont Kolster im Interview mit medienpolitik.net. „Dieser Auftrag wird zukünftig online wichtiger und daher bei Phoenix ausgebaut.“ Die angekündigten Neuerungen seien Teil einer generalüberholten Digitalstrategie, in deren Zuge alle sozialen Medien neu aufgestellt würden. Der Twitter-Auftritt sei bereits vor zwei Wochen neu ausgerichtet worden. Bei Facebook soll künftig der Dialog mit den Nutzern intensiviert werden. 

Die Verantwortlichen versuchen offenkundig, die jungen internetaffinen Generationen verstärkt zu erreichen, was teilweise auch zu gelingen scheint: So ist das Nutzungsvolumen des Livestreams von 114 Millionen Minuten im Jahr 2017 auf 298 Millionen Minuten in 2018 gestiegen. 

Schon Mitte Februar hat das ZDF unter der Marke ZDFkultur die feuilletonistischen Inhalte des eigenen und des 3sat-Programms zusammengeführt. In Kooperation mit 35 Kulturinstitutionen sind zudem eine „digitale Kunsthalle“, 15 Webvideoformate wie „Leading Women“ sowie „interaktive Tools“ dazugekommen, die über die „Geheimnisse“ berühmter Gemälde informieren oder Bücher empfehlen. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Rundfunkkommission, Malu Dreyer (SPD), hatte das Projekt kurz darauf als ein „gutes Vorbild für eine gemeinsame Plattformstrategie“ gewürdigt, von dem man „lernen“ könne. 

Die ARD hat die Mediatheken ihrer einzelnen Landesrundfunkanstalten bereits im September vergangenen Jahres gebündelt. Die Entwicklung sei damit jedoch nicht abgeschlossen, betont ARD-Online-Leiter Benjamin Fischer gegenüber der dpa. Ziel sei es, „die Plattform noch weiter zu vergrößern“. Dem folgend hat der WDR kürzlich sein Angebot um einen Doku-Kanal erweitert, der Beiträge zu Politik, Familie und Gesundheit konzentriert. Zudem bietet zum Beispiel die Arte-Mediathek ausgewählte Sendungen bereits vor dem Austrahlungstermin in voller Länge an – darunter Dokumentationen aber auch internationale Filmproduktionen. Dieses Aufbrechen des linearen Prinzips zielt auch auf Video-on-Demand-Anbieter wie Netflix oder Amazon Prime. 

Daß angesichts der ausstehenden Entscheidung über die Beitragsgestaltung die zukünftige Finanzierung der neuartigen Projekte noch nicht feststeht, scheint die Verantwortlichen wenig zu kümmern. „Die schnelle Veränderung des Medienmarktes erfordert es, diese Weiterentwicklungen so zügig wie möglich umzusetzen. Da können wir nicht auf die Diskussion und Ergebnisse zum Rundfunkbeitrag warten“, stellt ARD-Vertreter Fuhst gegenüber medienpolitik.net klar. Phoenix arbeite für eine „besser informierte Republik“. Angesichts der „Zunahme von komplexen, unübersichtlichen politischen Ereignissen sowie dem Anstieg nationalistischer, demokratie-feindlicher und populistischer Tendenzen“ sei dies wichtiger denn je.