© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/19 / 12. Juli 2019

Ohne Wenn und Aber hinter Rommel
Generalfeldmarschall Erwin Rommel: Selbst Waffen-SS-Generale hätten seinen Staatsstreich mitgetragen
Manfred Schmidt-Baldham

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet und in seiner Bedeutung weit unterschätzt jährt sich am 15. Juli 2019 zum 75. Male das Ultimatum des seinerzeitigen Oberbefehlshabers der Heeresgruppe B, Generalfeldmarschall (GFM) Erwin Rommel an Adolf Hitler. In seiner Denkschrift an den Diktator schilderte der unerschrockene GFM in Sorge um die ihm anvertrauten Soldaten die trotz „aller Orten heldenhaften Einsatzes“ militärisch aussichtslose Situation. Gleichzeitig forderte er den „Führer“ auf, „den Krieg im Westen unverzüglich zu beenden“. Unter der damaligen NS-Herrschaft glich Rommels verzweifelter Versuch einem tollkühnen Unterfangen, das mit akuter Gefahr für Leib und Leben verbunden war. 

Streit um Rommels direkte Beziehung zum 20. Juli

Der kühne Feldmarschall setzte deshalb vorsorglich auf die bewaffnete Auseinandersetzung mit dem ebenso rücksichtslosen wie uneinsichtigen Diktator. Dabei versicherte er sich zuverlässig der Gefolgschaft von fünf Kommandierenden Generälen kampferprobter Elite-Divisionen sowie des I. und II. SS-Panzerkorps, die ihrerseits einen gewaltsamen Umsturz planten, wie das Militärgeschichtliche Forschungsamt bereits vor Jahrzehnten herausgefunden hat („Aufstand des Gewissens – Der militärische Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933–1945, Freiburg 1987). 

Hiernach standen die hochrangigen Generäle Wilhem Bittrich und Felix Steiner, aber mit Sepp Dietrich und Paul Hausser sogar die ranghöchsten SS-Generale, nach mündlichen Überlieferungen mit ihren Offizieren und Untergebenen „ohne Wenn und Aber“ für einen von Rommel, aber nur von ihm, geführten Militärputsch „uneingeschränkt“ zur Verfügung, ebenso wie der Wehrmachtsgeneral Heinrich Eberbach. Angesichts dieser geballten Kampfkraft und der unbeschreiblichen Beliebtheit Rommels bei allen Dienstgraden und Wehrmachtsteilen konnte das Gelingen dieses Staatsstreichs keinem vernünftigen Zweifel unterliegen. Ein Sprengstoff-Attentat hingegen lehnte Rommel stets ab, er setzte vielmehr auf die offene Konfrontation. Rommel wollte Hitler und seine Handlanger verhaften und vor ein deutsches Gericht stellen lassen. 

Diese hehre Absicht wäre nicht nur ein maßgeblicher Beitrag zur Selbstreinigung des deutschen Volkes gewesen, sondern hätte Deutschland auch unsägliches Leid ersparen können. Schließlich waren in den restlichen Monaten des Krieges weitaus mehr Opfer zu beklagen als in den vorausgegangenen fast fünf Jahren zuvor, auch wären nicht noch mehr von Deutschlands Städten durch die fast pausenlosen alliierten Bombenangriffe ab Mitte 1944 in Schutt und Asche gelegt worden. 

Die konkrete Rolle, die Rommel im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 hatte, bleibt widersprüchlich. Wie Generalleutnant Hans Speidel, der im Frühjahr 1944 Chef des Stabes der Heeresgruppe B unter Rommel wurde und in die Pläne eingewiesen war und im Herbst 1944 deshalb sogar ins Visier der Gestapo geriet, nach dem Krieg bestätigte („Invasion 1944: Ein Beitrag zu Rommels und des Reiches Schicksal“, New York 1950), sei Rommel Mitwisser gewesen, habe aber vor einer direkten Teilnahme am Putsch wegen der geplanten Ermordung des Oberbefehlshabers, an den er durch Eid gebunden war, zurückgeschreckt. Dem widersprach 1987 der Historiker Ralf Georg Reuth, der die Rolle Rommels im Widerstand völlig marginalisierte („Erwin Rommel. Des Führers General, München 1987), selbst eine Mitwisserschaft für unwahrscheinlich hielt.

Tatsächlich geriet Rommel durch die Netzwerke des Widerstands in Frankreich bei der Gestapo ins Visier. Bereits  Ende Juli zwang man ihn, den Oberbefehl über die Heeresgruppe niederzulegen. Am 14. Oktober 1944 wurde er von zwei von Hitler gesandten Generalen zum Selbstmord durch Zyankali genötigt, um einem öffentlichen und demütigenden Verfahren vor dem Volksgerichtshof zu entgehen.

Die Westalliierten hatten in ihren Plänen Separatfrieden stets ausgeschlossen. Wenn überhaupt, wäre ausschließlich Rommel der einzige für die alliierten Feinde akzeptable Verhandlungspartner gewesen, von denen er nicht nur militärisch, sondern vor allem auch wegen seiner menschlichen Haltung in hohem Maße anerkannt und geschätzt wurde. Schon während des Afrika-Feldzuges äußerte Winston Churchill über Rommel: „Uns steht ein großer deutscher General gegenüber“, eine Auszeichnung, die der britische Kriegspremier keinem anderen deutschen Soldaten jemals zuteil werden ließ. 

Damals mußte sogar der britische Oberbefehlshaber in Nordafrika, General Auchinleck, die Bewunderung seiner Soldaten für Rommel in einem eigenen Tagesbefehl mit dem Hinweis zügeln, daß schließlich Rommel Kriegsgegner sei.  Bei dem von tiefer Frömmigkeit geprägten Rommel („Unser Leben ist überall in Gottes Hand, ob an vorderster Front oder hinten in der Etappe“) gab es weder Kriegsverbrechen noch Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung oder Todesurteile, die Kriegsgefangenen wurden gut behandelt. Kaum Bedarf bestand auch in der Maßregelung von Desertationen, denn einen Feldmarschall, der sich selbst häufig den größten Gefahren im Kampfgetümmel aussetzt (Landserspruch; „Wo Rommel ist, ist vorne“) und der auch sonst keinerlei Privilegien für sich in Anspruch nahm, läßt man nicht im Stich. 

Am 50. Todestag zollten Allierte öffentlich Respekt

Die Araber in Nordafrika gar verehrten den „Wüstenfuchs“ als eine Art Heilsbringer und ärgerten beispielsweise im damals noch britisch besetzten Ägypten die Engländer gern mit der unverhohlenen und erwartungsfrohen Drohung: „Bald kommt Sihdi Rommel nach Kairo.“ Leider setzte nur zwei Tage nach dem in der NS-Diktatur einzigartigen Ultimatum Rommels an Hitler die schwere Verwundung durch einen britischen Tieffliegerangriff am 17. Juli 1944 seinem für einige Tage später ins Auge gefaßten Staatsstreich ein jähes Ende. 

Beeindruckend waren auch die Ehrenbezeugungen zahlreicher ranghoher US-amerikanischer, britischer und französischer Offiziere am 16. Oktober 1994 anläßlich der 50. Wiederkehr des Tages, an dem Hitler Rommel in den Selbstmord getrieben hatte, als sie an seinem Grab voller Respekt militärisch salutierten; eine Geste, die – soweit ersichtlich – außer ihm keinem deutschen Wehrmachtsoffizier je zuteil wurde. Die Alliierten bewunderten nicht nur Rommels militärisches Genie, sondern gerade auch seine aufrechte und menschliche Vorbildhaltung. Mindestens dreimal verweigerte er „Führerbefehle“ und rettete dadurch zum Beispiel nach der nachschubbedingten Niederlage von El Alamein das Deutsche Afrikakorps vor dem sicheren Untergang. Er erzielte sensationelle militärische Erfolge, ohne seine Soldaten sinnlos zu verheizen oder gar seine christlichen Grundsätze zu verraten.