© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

Ländersache
Glück auf, der Steiger kommt
Paul Leonhard

Es waren etwa fünf Dutzend Bergleute, die auf der Zuschauertribüne des Düsseldorfer Landtags Platz genommen hatten. Die Männer wollten verfolgen, wie das Parlament mit einem Antrag umgeht, in dem es um ihre Interessen ging. Kurz darauf überschlugen sich die Medien: 200 Kumpel hätten im Parlament randaliert, es sei zu Tumulten gekommen, Abgeordnete seien bedroht und Hausverbote erteilt worden. 

Tatsächlich buhten und schrien die Zuschauer, als sie erleben mußten, wie CDU, FDP, SPD und Grüne den von der AfD eingebrachten Solidarantrag ablehnten und ihnen Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann zuvor noch in direkter Ansprache zur Tribüne den Tip gab: „Die AfD kann nicht Ihr Freund sein.“ Landtagspräsident André Kuper erteilte eine Rüge, aber nicht dem Minister wegen dessen verbaler Provokation der Besucher, sondern dem Abgeordneten Christian Loose wegen „unparlamentarischen Verhaltens“. Der AfD-Mann habe gebrüllt, begründete Kuper: „Sachliche Auseinandersetzungen gehören ins Parlament. Aber: Brüllen, anfeinden und hetzen – das ist nicht der Ton, in dem Demokraten miteinander diskutieren.“ Auch seien die Zuschauerränge keine „Bühne für politisches Theater“.

Meinungsäußerungen von Besuchern sind bei Parlamentssitzungen untersagt. Das schreibt die Hausordnung vor. Deswegen war es folgerichtig, daß Kuper nach mehreren Ermahnungen die Sitzung unterbrach und die Tribüne räumen ließ. Da die Bergleute der Aufforderung folgten, liegt kein Hausfriedensbruch vor, bestätigte ein Landtagssprecher.

Laumann warf der AfD vor, die Bergleute für eine gezielte Provokation benutzt zu haben: „Das ist kein Zufall, was hier passiert.“ Tatsächlich wollte die Partei deutliche Zeichen setzen: „Vorbei die Zeiten, zu denen die SPD die Vertreterin von Arbeitnehmerinteressen war. Die Interessen der Arbeitnehmer vertritt ab jetzt die AfD“, schreibt die Fraktion bei Facebook. Man habe als einzige politische Kraft die Bergleute „getroffen, ihnen zugehört und anschließend gemeinsam einen Antrag erarbeitet“.

In der zur Diskussion gestellten Beschlußvorlage wurde der Landtag gebeten, die NRW-Regierung aufzufordern, mit dem Arbeitgeber der Bergleute zu reden. Konkret geht es um 200 Steinkohle-Kumpel, denen die Ruhrkohle AG (RAG) gekündigt hatte, nachdem sie angebotene neue Jobs bei einem anderen Arbeitgeber trotz gegenteiliger Einschätzung des Gesamtbetriebsrates als unmutbar abgelehnt hatten. Auch die Gewerkschaft hatte den Betroffenen geraten, die Angebote anzunehmen. Bereits vor einem Monat hatten etwa 140 Menschen vor der Arbeitsagentur in Bottrop mit Trillerpfeifen und Plakaten gegen die betriebsbedingte Kündigung der 200 Bergleute der Zeche Prosper-Haniel protestiert.

AfD-Fraktionschef Markus Wagner kündigte unmißverständlich an, daß es nicht das letzte Mal gewesen sei, daß das Schicksal der 200 Bergleute Thema im Landtag wird. „Wir werden kämpfen, kämpfen, kämpfen!“ verdeutlichte er.  Das Parlament sei weder in der Lage noch der richtige Ort, die rechtlichen Fragen der Kündigungen der Bergleute zu diskutieren, kritisierte hingegen der Grünen-Politiker Mehrdad Mostofizadeh. Das müsse auf dem Rechtsweg geklärt werden. Tatsächlich läuft ein Gerichtsverfahren gegen die Kündigungen.