© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Mäusealarm im Hausflur
Paul Rosen

Vierbeiner aller Art, Vögel, Fische und Reptilien sind in den Gebäuden des Bundestages strikt verboten. Dennoch bewohnen etliche Tiere der Gattung „Mus musculus“ Büros, Lagerräume und Flure des Bundestages. Die kleinen Nagetiere sind besser unter dem Begriff „Hausmaus“ bekannt und in vielen Büros zu finden, wo sie in Abfalleimern leckere Sachen finden und offenbar so prächtig gedeihen, daß bereits von einer Plage gesprochen wird. 

Welche Ausbreitung die Nagerpopulation im Bundestag hat, läßt eine Zählung der Linken-Abgeordneten Anke Domscheit-Berg vermuten. Sie hat in ihrem Büro im Jakob-Kaiser-Haus eine Lebendfalle aufstellen lassen. 19 Mäuse wurden darin in den letzten eineinhalb Jahren gefangen. In anderen Büros wurden ebenfalls Mäuse gesichtet. Der ehemalige Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hatte in seinem Bundestagsbüro ebenfalls eine Maus gesichtet und ein Foto von dem Nager gemacht. 

Laut Bundestagsverwaltung ist das Nagerproblem auf das Jakob-Kaiser-Haus, wo sich die meisten Abgeordnetenbüros befinden, beschränkt. Die Tierchen sollen jetzt mit von einem Kammerjäger aufgestellten Lebendfallen gefangen werden. Allerdings wurden die Nager schon vor mehreren Jahren auch im Paul-Löbe-Haus, wo die Bundestagsausschüsse tagen, gesichtet. Von der klassischen Mausefalle mit einem Stückchen Käse oder angebratenem Speck und einem für die Maus tödlichen Schlagmechanismus will der Bundestag nichts wissen. Schließlich ist man tierlieb. Die in Lebendfallen gefangenen Mäuse werden im benachbarten Tiergarten oder an anderen geeigneten Stellen ausgesetzt. 

Auch vom Angebot eines Tierheims, dem Bundestag mit einigen bewährten Mäusejägern auszuhelfen, machte die Bundestagsverwaltung keinen Gebrauch. Denn dem Einsatz von Katzen, die seit Urzeiten auf die häusliche Mäusejagd spezialisiert sind, steht die Hausordnung des Bundestages entgegen, wo es klipp und klar heißt: „Das Mitbringen von Tieren – ausgenommen Blindenführhunde – ist nicht gestattet.“ Mit Jagdszenen im Stil der Comic-Figuren Tom und Jerry wird es also nichts. 

Vor etwa fünf Jahren startete eine Gruppe von Abgeordneten von SPD und Grünen eine Initiative, um Hunde und andere Haustiere in die Büros mitbringen zu können. Es gab sogar ein Protestcamp mit Hunden vor dem Reichstagsgebäude. Genutzt hat das alles nichts. Die Verwaltung ließ sich nicht erweichen, und auch die Bundestagspräsidenten Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble wollten kein Gebell und Miauen auf den Fluren und in den Büros hören. 

Denn was so alles passieren könnte, schilderte seinerzeit die Parlamentszeitung recht phantasievoll: „Man stelle sich nur vor, der Jagddackel eines CSU-Abgeordneten stürzt sich wütend auf den kleinen Chihuahua einer SPD-Kollegin, und der Beagle eines FDP-Abgeordneten bekommt regelmäßig ausgerechnet vor dem Zimmer eines bestimmten Fraktionskollegen eine Blasenschwäche.“ Es bleibt wohl nur das Politikleben ohne Katze, Dackel, Mops & Co. Nur die Mäuse, die kommen weiter rein.