© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

Fragwürdiges Frühwarnsystem
Identitäre Bewegung: Der Verfassungsschutz stuft die Gruppierung als rechtsextremistisch ein / Die Begründung wirft Fragen auf
Ronald Berthold

Ein Transparent mit der Aufschrift „Grundgesetz statt Scharia“ hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auf den Plan gerufen. Das Bekenntnis hatte die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) vor einer Moschee entrollt. Diese Aktion führt der Inlandsgeheimdienst nun als einen der Gründe an, die 600 Mitglieder starke Vereinigung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ einzuordnen. Bereits seit 2016 galt sie als „Verdachtsfall“.

Haldenwang spricht von „geistiger Brandstiftung“

Seine Entscheidung begründete das BfV mit der „Anti-Asyl-Agitation der IBD im Zusammenhang mit der Migrationsbewegung“. Außerdem hätten „einige“ Mitglieder einen „rechtsextremistischen Hintergrund“. Für die Identitären, die sich stets von Neonazis abgegrenzt haben, ist das ein „Skandal“. Sie bezeichneten den Schritt des Verfassungsschutzes als „moralische Bankrotterklärung der Bundesregierung“. 

Die Bewegung bekenne sich nicht nur „uneingeschränkt zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Vielmehr kämpfe sie „aktiv gegen die derzeitige Bedrohung von Demokratie und Rechtsstaat durch willkürliche Rechtsbrüche im Zuge der Asylkrise“. In ihrer Stellungnahme heißt es weiter: „Um auf diese Bedrohungen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufmerksam zu machen, agiert die IBD ausschließlich gewaltfrei. Der Vorwurf des Extremismus ist daher nicht nur absurd, sondern entlarvt sich selbst als antidemokratisch und rein gesinnungsethisch motiviert.“ 

Der Tagesspiegel spekuliert bereits, daß das harte Vorgehen gegen die IBD „die Vorstufe zu einem Verbot sein könnte“, das Innenminister Horst Seehofer (CSU) aussprechen müßte. Eine ähnliche Befürchtung äußerte die IB-Ikone, der österreichische Vorsitzende Martin Sellner: Dies sei eine „Vorbereitung der Zerschlagung“.

Der neue Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang räumt zwar ein, daß es sich bei den Identitären nicht um „gewaltorientierte Extremisten“ handele, bezeichnet diese aber als „geistige Brandstifter“, die „verbal zündeln“. Ein Sprachgebrauch, der „ebenso gut von der Amadeu-Antonio-Stiftung diktiert worden sein könnte“, wundert sich der Chef der Identitären Bewegung Deutschland, Daniel Fiß, im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Geistige Brandstiftung“ könne angesichts der Unklarheit des Begriffes „doch nicht ernsthaft ein sachlicher Bewertungsmaßstab des Verfassungsschutzes sein“, kritisiert er. 

Doch Haldenwang geht noch weiter: Die Organisation stelle „die Gleichheit der Menschen oder gar die Menschenwürde an sich in Frage“ und überhöhe die eigene Identität. Als Beispiel führt der CDU-Politiker an: Die Identitären „reden von Überfremdung“ und schürten „gezielt Feindbilder“. Der Nachfolger von Hans-Georg Maaßen schließt sein Statement mit dem Satz: „Es darf keine Toleranz für Extremisten geben.“ Mit Haldenwangs Amtsübernahme als Verfassungsschutzchef war die Erwartung der Bundesregierung verbunden, hart gegen Rechts vorzugehen. Dem 59jährigen scheint wichtig zu sein, daß sich seine Behörde, die er als „Frühwarnsystem“ bezeichnet, jetzt als handlungsfähig erwiesen habe. „Der Bundesverfassungsschutz steht fremdenfeindlicher und demokratiefeindlicher Ideologie nicht tatenlos gegenüber.“

Für IB-Chef Fiß war die Entscheidung jedenfalls „erwartbar“, wie er der JF erzählt. „Die gesamte Hysterie und konstruierten Netzwerke nach dem Mord an Walter Lübcke haben gezeigt, daß man alles daransetzen wird, diesen Mord auch für die Diskreditierung des patriotischen Lagers zu nutzen.“ Das erste Ergebnis dieser Instrumentalisierung sei jetzt die Hochstufung der IB vom Verdachtsfall zum Beobachtungsobjekt durch den Verfassungsschutz.

Für die Sicherheitsbehörde ist es unterdessen auch erheblich, daß die IBD den politisch gewollten „Multikulturalismus“ ablehne und sich stattdessen für einen „Ethnopluralismus“ ausspreche. Die Bewegung ziele, so der Inlandsgeheimdienst, „letztlich darauf ab, Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen“. Dies führe dazu, die Zuwanderer „in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren“. Der Verfassungsschutz wirft den Identitären vor, daß sie meinten, „Menschen ohne gleiche ethnische Voraussetzungen“ könnten „niemals Teil einer gemeinsamen Kultur sein“. Multikulturalismus sei – so die Behörde – „Ausdruck einer ethnisch pluralistischen Gesellschaft“. Dies gelte der IBD aber als „kulturvernichtend“.  

Jetzt also ist die IBD ein Beobachtungsobjekt wie andere extremistische Organisationen. Der Staat kann noch stärker als zuvor nachrichtendienstliche Mittel benutzen, um die Identitäre Bewegung zu bekämpfen. Dazu gehören unter anderem der Einsatz von V-Leuten und die Observation von deren Mitgliedern.

„Wir waren auf solche Schritte vorbereitet“, erklärt IB-Chef Fiß. „Spätestens seit dem Jahr 2018 haben sich die Repressionen gegen die IB zunehmend verstärkt.“ Das Ziel sei klar: „Patriotisch-aktivistisches Engagement für junge Menschen soll unmöglich gemacht werden.“ Der 27jährige warnt: „Andere könnten ebenso schon bald von dieser Willkür betroffen sein. Auch die AfD hat schließlich schon ihre Erfahrungen mit dem neuen Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang machen müssen.“

In ihrer Erklärung kündigt die IBD juristische Schritte gegen die Beobachtung durch das BfV an: In den nächsten Wochen werde man „ein professionelles Team von Anwälten und Experten aufbauen, welches schließlich eine juristische Klage gegen die Beobachtung der IB durch den Verfassungsschutz einreichen wird“. Scharfe Worte wählte der EU-Parlamentarier und stellvertretende sächsische AfD-Chef Maximilian Krah. Er twitterte: „Der Weg vom Verfassungsschutz zur Stasi wird konsequent beschritten!“