© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

„Emiratis können nicht kämpfen“
Jemen: Kolumbianische Söldner erleben den Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran
Jörg Sobolewski

Es klingt wie eine phantastische Geschichte. Söldner aus Südamerika, aus Kolumbien genauer gesagt, werden von reichen Wüstenfürsten angeheuert, um einen Krieg in den Bergen des Jemen zu führen. Tatsächlich ist die Beteiligung kolumbianischer Söldner ein offenes Geheimnis – innerhalb wie außerhalb des Landes.

Unverhofft ist in dem südamerikanischen Land ein über zwanzigjähriger Bürgerkrieg zu Ende gegangen. Sowohl die größte rechtsradikale als auch die größte linksradikale Gruppierung legten die Waffen nieder und suchen den schweren Weg der gesellschaftlichen Widereingliederung.

 „Es ist einfach heiß und man hat keine Deckung“

Der eine oder andere ehemalige Kämpfer mag wohl von Drogenkartellen angeworben sein, aber das Angebot an ausgeschiedenen Guerilleros und Soldaten ist dennoch gigantisch. Wo ein Angebot besteht, findet sich früher oder später auch ein Käufer, der Interesse an erprobten Infanteristen hat. In diesem Fall handelte es sich um die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).

Als nun unter saudischer Führung ein Krieg im Jemen den iranischen Vormarsch der „Huthi-Rebellen“ aufhalten sollte, mußten die VAE der sunnitischen Führungsmacht folgen. Auf der Suche nach Soldaten für die frischangeschafften Waffen aus westlichen Rüstungsschmieden fiel das arabische Auge auf Kolumbien. Wer gegen kommunistische Guerilleros im Dschungel besteht, der würde auch Stammeskämpfer in der jemenitischen Wüste besiegen können.

Es dauerte nicht lange, bis die Welt von diesem Arrangement erfuhr. Die New York Times berichtete bereits 2015 von dem Einsatz kolumbianischer Söldner auf der Arabischen Halbinsel. Galant umschrieb das US-Blatt die Einstellung der Bevölkerung der VAE als „not very interested in military services“.

Arturo V. (Name geändert) schnaubt vernehmlich bei der Wortwahl. Der Kolumbianer zählt zu den über 2.000 Söldnern aus Lateinamerika, die von den Emiraten angeworben wurden und in den Jemen abkommandiert wurden.

„Die Emiratis können nicht kämpfen. Wir hatten anfangs einen Emirati als Offizier. Hauptmann oder so. Er ging in den Urlaub und kam als Oberst wieder – völlig unsinnig, keiner von uns hat das verstanden. Jedenfalls hat sich der Kerl immer verkrochen, wenn es irgendwo knallte. Nach einem Jahr (2016) haben sie dann einen Offizier aus Kolumbien eingeflogen. Dann ging’s wieder, bis dahin haben wir Unteroffiziere unsere Kompanie eigentlich alleine geregelt.“

Arturo nimmt einen Schluck aus der Bierdose und fährt fort: „Die Huthis sind gefährliche Hunde. Für uns waren die Umgebung, das Setting, das Klima – das alles war neu. Aber die Jungs kennen die Gegend von Kindesbeinen an. Ich persönlich bin mit der Hitze nie richtig klargekommen. Es ist nur heiß und vor allem gibt es häufig kaum Deckung. Die Farc (Anm. d. R. kolumbianische Guerilla-Gruppe) hat sich in den Bergen versteckt, aber unsere Berge sind bewaldet. Im Jemen gibt es Sand, Steine, Felsen und sonst nur Sonne.“ Er lacht breit und fährt fort: „Stell dir das vor, die holen uns, weil wir Erfahrung im Dschungel haben, und dann bringen sie uns in eine Vegetation, die für uns total fremd ist.“

Arturo hat sich seine Dienste gut bezahlen lassen, wie er bereitwillig zugibt. Dreitausend Dollar im Monat will er bekommen haben. Mehr als der Durchschnitt seiner Kameraden, der bei 2.000 Dollar liegt, was ihn zu einem Unteroffizier machen würde. Seinen Klarnamen oder seinen militärischen Rang will er nicht nennen. An seinen Vertrag gebunden fühlt er sich auch über ein Jahr nach dem Ende seines Dienstes noch. Nach seiner Motivation gefragt, gibt er offen zu: „Geld.“

Der Durchschnittslohn in dem süd­amerikanischen Land liegt zwischen vier- und fünfhundert Euro. Da lassen sich mit dreitausend Dollar schon Rücklagen aufbauen. Seine älteste Tochter geht dank des Söldnerdienstes auf eine Universität in Bogota.

Um seine Zukunft macht sich Arturo keine Sorgen

Auf die Risiken angesprochen, zuckt Arturo mit den Schultern: „Krankenversicherung war dabei. Wir wurden gut versorgt. Nur das Essen war schlecht. Jeden Tag Hühnchen. Ich hätte mein Leben für ein Paar Spareribs gegeben, aber Schwein ist da schwer zu bekommen.“ Er lacht erneut und kommt langsam in Fahrt: „Dabei haben die Araberoffiziere weniger gebetet als wir Katholiken. Aber Schweinefleisch ging trotzdem nicht. Alle paar Monate gab’s ein paar Tage frei. Dann sind wir manchmal nach Dubai oder Ägypten. Endlich mal einen trinken. Das ist ja kein Soldatenleben so. Arturo ist kein Rambo. Er wirkt wie ein Soldat aus dem Bilderbuch: kerzengerade Haltung, kurzgeschorene Haare, ruhiges Auftreten. Irgendwelche Schwierigkeiten mit seinem Job scheint er nicht zu haben.

Auf Details aus seinem Einsatz angesprochen, kommt er ins vorsichtige schwadronieren. Orte und Zeiten will er nicht nennen, aber ein paar Schwänke erzählt er doch: „Als wir das erste Mal auf die Huthis getroffen sind, wußten wir gar nicht, was passierte. Wir fuhren im Konvoi in ein Wadi ein und auf einmal knallte es aus allen Richtungen. Die Kerle hatten uns seit Stunden beobachtet. Na ja, kannten sich ja aus. Wir fuhren unter dem Kommando eines Südafrikaners. Der war ein abgebrühter Hund und hat den Konvoi nicht mal anhalten lassen. Eine richtige Entscheidung, die Kollegen von der anderen Seite kamen mit ihrem Feuer nicht durch und wir sind einfach weitergebraust.“

Eine Strategie, die sich aber nicht aufrechterhalten ließ, wie er weiter berichtet: „Je länger der Einsatz dauerte, desto besser haben sie ihre Strategie angepaßt. Später haben sie das erste und das letzte Fahrzeug angesprengt und uns dann richtig in die Zange genommen. Wir sind dann dazu übergegangen, ein paar vollbesetzte Helikopter in Reichweite zu halten. Sobald einer unserer Spähtrupps auf den Feind getroffen ist, riefen wir die Kameraden im Helikopter, die sich hinter feindlichen Linien haben absetzen lassen und dann die Huthis unter Druck gesetzt haben. Das kennen wir aus dem Krieg gegen die Farc.“

Um seine Zukunft macht sich Arturo keine Sorgen. Er habe seine „patriotische Pflicht“ getan, jetzt wolle er seine Talente weiter gewinnbringend einsetzen. Er könne schließlich vor allem „sein Gewehr auseinandernehmen, wieder zusammensetzen und Leute erschießen“, wie er mit einem Augenzwinkern zum Abschied meint.

Ob er eines Tages wieder zurückgehen wird, hängt auch von der weiteren Entwicklung der politischen Lage in der Region ab. Vor wenigen Wochen begann ein weitgehend geheimgehaltener Abzug der VAE aus der Region, unter Fachleuten gilt der Krieg bereits als für die sunnitische Koalition verloren. Mehr als vier Jahre lang vermochte all das Geld der Saudis und Emiratis nicht, die Rebellion der Huthis zu unterdrücken. Im Gegenteil, mehrfach wurde selbst die Hauptstadt Saudi-Arabiens unter Raketenbeschuß der Huthis genommen, die Macht des schiitischen Gegenspielers und Finanziers der Huthis, des Iran, scheint ungebrochen – trotz des Einsatzes von Arturo und seinen Kameraden.