© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

Verfassungsgericht entscheidet über Bankenunion
Kontrollverlust
Dirk Meyer

Sollen deutsche Sparer für italienische Pleitebanken zahlen? Die Antwort wird das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 30. Juli geben. Es geht um drei zentrale Punkte der europäischen Bankenunion, die die Bereiche Bankenaufsicht, Abwicklung bei Illiquidität und Einlagensicherung umfaßt. Diese drei Komplexe stehen in enger Verbindung, da eine funktionsfähige Bankenaufsicht die Zahlungsfähigkeit der Kreditinstitute fördert. Kommt es dennoch zu Zahlungsproblemen einer Bank, kann ein geordneter Abwicklungsprozeß Mittel von Eigentümern, Gläubigern mit über 100.000 Euro Einlagen sowie einem Bankenabwicklungsfonds heranziehen, die sonst eine externe Einlagensicherung oder der Steuerzahler zahlen müsste.

Die Kläger monieren erstens den Machtverlust nationaler Behörden, die ihre Kompetenz an eine zentrale EU-Aufsicht übertragen mussten. Dies betrifft zur Zeit 118 Großbanken, die rund 85 Prozent der aggregierten Bilanzsumme aller Finanzhäuser des Euroraums abdecken. Die Bundesregierung argumentiert hier zu Recht mit der Systemrelevanz: Die Finanzverflechtungen können aus einem lokalen Bankenproblem ein Stabilitätsproblem der gesamten Eurozone machen. Sie unterschlägt allerdings, daß unzureichende Regulierungen hierfür verantwortlich sind. Laxe Kreditvergaberichtlinien und ein hoher Bestand eigener Staatsanleihen in den Bankbilanzen mediterraner Länder sind die Zutaten einer zunächst nationalen Bankenkrise. Die Geldhäuser Italiens halten 48 Prozent aller Staatsschulden von Rom. Fielen diese im Wert, wären die Banken schnell überschuldet.

Zweitens würde die Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) ihre Unabhängigkeit gefährden. Laut EU-Vertrag ist sie vornehmlich der Geldwertstabilität und einer entsprechenden Geldpolitik verpflichtet. Beaufsichtigt sie jedoch zusätzlich Finanzhäuser, läge ein Interessenkonflikt vor. Sie könnte im Krisenfall geneigt sein, durch Niedrig-/Negativzinsen und spezielle Kreditnothilfen Banken zur Seite zu springen – zu Lasten eines stabilen Euros.

Schließlich beanstanden die Kläger die Konzeption des Abwicklungsfonds. Diesen finanzieren alle Finanzinstitute über eine Bankenabgabe. Auf den bis 2023 mit etwa 55 Milliarden Euro – im Krisenfall völlig unzureichend – gefüllten Gemeinschaftstopf haben alle Mitgliedstaaten Zugriff. Bei EU-weit etwa 820 Milliarden Euro ausfallgefährdeter Kredite liegt der Anteil im EU-Durchschnitt bei 3,4 Prozent. Diese Quote ist jedoch in Griechenland (45 Prozent), Zypern (28), Portugal (12) und Italien (10) erheblich höher. Aufgrund der nicht risikoadäquaten Beiträge zahlen zukünftig deutsche Sparkassen und Volksbanken die Ausfälle für die Banca Monte dei Paschi di Siena oder die Piraeus Bank. Dem sollte das BVerfG einen Riegel vorschieben.