© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

„Verstörend“
Pfarrer verteidigt umstrittene Einladung an Gregor Gysi
(idea/JF)

LEIPZIG. Der Pfarrer der Leipziger Peterskirche, Andreas Dohrn, hat die umstrittene Einladung des früheren Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Gregor Gysi, verteidigt. Der 71jährige soll auf Einladung der Philharmonie Leipzig bei einem Konzert zum Gedenken an die Friedliche Revolution von 1989 sprechen. Es findet am 9. Oktober in der Peterskirche statt.

Die Einladung stößt bei ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern auf scharfe Kritik. Anfang Juli unterzeichneten mehr als 420 Personen einen offenen Protestbrief. Darin heißt es unter anderem, es sei zynisch und empörend, „wenn der letzte SED-Vorsitzende ausgerechnet am 9. Oktober 2019 in einer Leipziger Kirche als Festredner zum 30. Jahrestag der Revolution auftritt“. Die Kirchengemeinde habe erst nach der Unterzeichnung der Nutzungsvereinbarung mit der Philharmonie von der Einladung erfahren, erklärte Dohrn gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea.

Der Geistliche zeigte Verständnis für die Entscheidung der Philharmonie. „In die Logik des Veranstalters paßt Gregor Gysi gut“, so Dohrn. Die Auseinandersetzung über den Auftritt sei „existentiell, verstörend, notwendig und unausweichlich“. Für die früheren Bürgerrechtler sei die Einladung Gysis „eine Retraumatisierung“. Sie hätten „ihr Leben riskiert und leiden zum Teil bis heute an den Folgen der Menschenrechtsverletzungen, die die SED und die Täter begangen haben“. Die Kirchengemeinde habe mehreren Vertretern der damaligen Bürgerrechtsbewegung angeboten, an anderen Veranstaltungen zum 9. Oktober 1989 teilzunehmen.

Die Philharmonie Leipzig schloß eine Ausladung Gysis gegenüber idea aus. Sie „käme einer Zensur gleich“, heißt es in einer Mitteilung des Vorstands. Die Philharmonie Leipzig beteiligt sich seit 2014 jährlich am Gedenken an den

9. Oktober 1989. An diesem Tag nahmen in Leipzig 70.000 Menschen an einer Demonstration gegen das SED-Regime teil.