© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

Neoliberales Privatisierungsdesaster und erneuerter Sozialismus
Die Allmende zurückerobern
(dg)

Der Testlauf für die unter der rot-grünen Regierung seit 1998 vorangetriebene Privatisierung des Gemeineigentums an Wohnungen, Krankenhäusern, Altersheimen, Wasserwerken, Straßen- und Schienennetzen habe in den 1970ern in Chile stattgefunden. Dort, so erinnert sich der Soziologe Wolfgang Streeck, privatisierten die „aus dem neoliberalen Bandenmilieu Chicagos angereisten Berater“ General Pinochets die gesamte Allmende der „Fundamentalökonomie“, von der Wasser- über die Bildungs- bis hin zur Gesundheits- und Altersversorgung. Noch heute gehört Chile daher zu den Ländern, die in den Statistiken über soziale Ungleichheit ganz oben stehen. Vor vierzig Jahren galten die Südamerikaner hingegen als kapitalistische Musterkolonie, der zuerst Großbritannien folgte. Unter den Regierungen Thatcher bis Cameron verwandelte sich das Königreich daher in das Exerzierfeld eines „losgelassenen Privatisierungsfanatismus“. Eine Abwendung von dieser gescheiterten Politik, so glaubt der enttäuschte Sozialdemokrat Streeck, könnte zum Kristallisationskern für einen „erneuerten Sozialismus“ in Deutschland und Europa werden (Blätter für deutsche und internationale Politik, 6/2019). Obwohl der Verfall öffentlicher Infrastruktur hierzulande leider noch keine Initialzündung für eine breite soziale Protestbewegung wie jener der „Gelbwesten“ in Frankreich auslöste. 


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