© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/19 / 19. Juli / 26. Juli 2019

Was ist heute konservativ?
Hilfe von Kondylis zur Begriffsschärfung
Dimitrios Kisoudis

Panajotis Kondylis entstammte einer Familie von Militärs. Ein Vorfahr war General Georgios Kondylis, in der Zeit zwischen den Weltkriegen republikanischer Putschist, Ministerpräsident und Restaurator der Monarchie. Wie der General erlebte später der Gelehrte seine Zeit in der Gewissensform einer kriegerischen, polemischen Begabung. In seinen Büchern entschlüsselt Kondylis geistesgeschichtliche Bewegungen vom Gegner her, auf den sie sich antithetisch bezogen. Dieser polemische Ansatz wird im Sammelband, der zum 20. Todestag ein Jahr verspätet erschienen ist, immer wieder herausgearbeitet. 

Herausgeber Falk Horst will mit dem Band die wissenschaftliche Rezeption fördern. Dringlicher erscheint die Rezeption im politischen und vorpolitischen Raum. Und dafür sind besonders die Werke über den Konservatismus und die Aufklärung richtungsweisend. Über beides wird heute gestritten, leider oft unreflektiert. 

Hans-Christof Kraus schreibt über Kondylis’ Konservatismus-Buch, Till Kinzel über das Aufklärungs-Buch. Im Konservatismus verteidigte der Adel die Ständegesellschaft, als „societas civilis“ idealisiert, gegen den revolutionären Staat. Die Aufklärer indes führten die Sinnlichkeit des Menschen gegen die Offenbarung ins Feld, um die Religion zu bekämpfen. Ein Widerspruch scheint auf: Kondylis benennt mit dem Adel das Subjekt des Konservatismus und betont, die Ideologie sei ihm untergegangen. Dagegen verbleibt seine Geschichte der Aufklärung im Bereich des rein Geistigen. Im Buch streitet er sogar ab, daß aufklärerisches Denken mit der sozialen Lage des Bürgertums identifiziert werden könne.

Bleibt die Frage: Sind Konservatismus und Aufklärung auf bestimmte Epochen beschränkt? Oder handelt es sich um Konstanten in der Geschichte des neuzeitlichen Europa? Konnte sich der Konservatismus von der Aristokratie ablösen und über historische Brüche hinweg seine Gestalt wandeln, aber gleiches Wesen wahren? Diese Frage muß politisch beantwortet werden. Stiftungen und Think Tanks mögen dabei helfen. Nur eine Antwort ist unmöglich: Die anti-religiöse Aufklärung kann nicht die zeitgemäße Gestalt des Konservatismus sein. Eher noch müssen wir das Ende der bürgerlichen Denk- und Lebensform abwarten, bis der Konservatismus neu erblüht.

Horst Falk (Hrsg.): Panajotis Kondylis und die Metamorphosen der Gesellschaft. Ohne Macht läßt sich nichts machen. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2019, broschiert, 267 Seiten, 49,90 Euro