© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/19 / 02. August 2019

Sprung auf oder kehrt marsch?
Verteidigung: Kramp-Karrenbauer übernimmt Leitung des Ministeriums in unruhigen Zeiten / Der schwierigste Gegner scheint in der eigenen Koalition zu lauern
Christian Vollradt

Eine ruhige Zeit zum Einarbeiten? Fehlanzeige. Annegret Kramp-Karrenbauer erbt auf ihrem neuen Posten an der Spitze des Bundesverteidigungsministeriums von Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen (beide CDU) nicht nur eine Menge Baustellen in der Truppe, sondern wird auch gleich mit erheblichem sicherheitspolitischen Konfliktpotential konfrontiert. Das zeichnete sich bereits unmittelbar nach ihrer Vereidigung in der anschließenden Debatte zu ihrer Regierungserklärung vergangene Woche während der Sondersitzung des Bundestags ab (siehe unten). 

Die Anwürfe aus den Reihen der Opposition waren dabei sicher noch eingepreist. Von der Linksfraktion gab es gar Buhrufe und den Vorwurf, die Ministerin mache einen „Kotau vor Trump und der Rüstungsindustrie“. Der verteidigungspolitische Sprecher der größten Oppositionsfraktion, Rüdiger Lucassen (AfD), hielt der neuen Ressortchefin eine „Ankündigungsorgie“ vor, die mit der Realität in der Ära Merkel nichts zu tun habe. Die Moral der Truppe liege am Boden, die Bundeswehr sei – verfassungswidrig – nicht zur Verteidigung des Landes und des Bündnisses fähig. Das Verteidigungsministerium führe mit Kramp-Karrenbauer nun „eine sicherheitspolitische Novizin aus dem Saarland“. Die CDU sei „zum größten Sicherheitsrisiko Deutschlands“ geworden, konstatierte der frühere Oberst. Die so Gescholtene hatte zuvor bekräftigt, sie werde an der eingeschlagenen „Trendwende bei Material und Personal“ festhalten. Neben Respekt für ihren Dienst brauchten die Soldaten „das bestmögliche Gerät, die bestmögliche Ausrüstung, die modernste persönliche Ausstattung nicht nur im Einsatz, nicht nur bei großen Übungen, sondern schon für die tägliche Ausbildung, genügend Flugstunden, einsatzklare Schiffe und gefechtsbereite Panzer, volle Munitionslager und schnell eintreffende Ersatzteile“. 

Für ihre Forderung, am 12. November, dem Gründungstag der Bundeswehr, als Zeichen der Verbundenheit und Wertschätzung in allen Bundesländern öffentliche Gelöbnisse stattfinden zu lassen – auch vor dem Reichstag –, erhielt Kramp-Karrenbauer Applaus von Union, FDP und aus den Reihen der AfD. Links der Mitte rührten sich nur vereinzelt Hände. 

SPD-Mann Mützenich: „Tanz ums Goldene Kalb“ 

In der Entgegnung des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD, Rolf Mützenich, schwang für manche Beobachter bereits die Aufkündigung  der Koalition mit. Das Credo der Ministerin, am vereinbarten Zwei-Prozent-Ziel bei den Rüstungsausgaben festzuhalten, erinnere ihn an einen „Tanz um das Goldene Kalb“, kritisierte der Außenpolitiker.

Die Sicherheitslage, so hatte Kramp-Karrenbauer in ihrer Regierungserkläruing gesagt, sei durch erhebliche Risiken geprägt – „die aktuellen Entwicklungen in der Straße von Hormus zeugen davon.“ Keine Woche später teilt die amerikanische Botschaft in Berlin mit, man habe Deutschland gebeten, sich an der Sicherung des Handelsverkehrs an dieser kritischen Stelle zwischen Persischem Golf und dem Golf von Oman zu beteiligen. Der politische Dissens in der Großen Koalition darüber (Union dafür, SPD dagegen), war mit einem Mal nicht länger „spekulativ“, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag noch gemeint hatte. 

Unumstritten ist: Sollten Schiffe der deutschen Marine zur Abwehr von Kaperversuchen eingesetzt werden, braucht es dafür zwingend ein Mandat des Bundestags. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Auslandseinsätze verlangt zudem, daß die Bundeswehr – außer im Verteidigungsfall – stets in ein „System kollektiver Sicherheit“ eingebunden, also mit einem Mandat der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union ausgestattet sein muß. 

 Kommentar Seite 2





„Gute Verkäuferin“

Als Verteidigungsministerin sitzt Annegret Kramp-Karrenbauer künftig auf der Regierungsbank im Bundestag, dessen Mitglied sie einmal für einige Monate als Nachrückerin war (1998). Erste Regierungserfahrung sammelte das „Allroundtalent“ (CDU-Sprachgebrauch) ab 2000, als sie im Saarland erste Frau an der Spitze eines deutschen (Landes-)Innenministeriums wurde. Danach führte sie die Ressorts Bildung, dann Arbeit und Justiz, bis sie 2011 schließlich Ministerpräsidentin des kleinsten deutschen Flächenlandes wurde. Ihre Bilanz dort – eher bescheiden: Im ersten Halbjahr 2018, ihrem letzten als Ministerpräsidentin, belegte das Saarland beim Wachstum den letzten Platz aller Bundesländer. Risikoscheu kann man der Politikerin nicht nachsagen. Die bundesweit erste Jamaika-Koalition beendete sie 2012, gewann die Neuwahl und regierte fortan mit der SPD weiter. Die Wirtschaftswoche fragte nach dem Abschied von „AKK“ aus dem Saarland regionale Unternehmer dort. Deren Tenor: Sie sei eine gute Verkäuferin und könne zuhören, nachhaltige Impulse habe sie aber nicht gesetzt. Sie verteidigte sich: Das Land sei aus der Kohle ausgestiegen, ohne daß dies Massenarbeitslosigkeit zur Folge gehabt hätte: „Über Jahre haben wir einen beinharten Sparkurs gefahren.“ Zum erstenmal seit Jahrzehnten habe das Saarland die Chance, Schulden abzubauen. „Das ist alles andere als eine schlechte Bilanz“, so Kramp-Karrenbauer. (cs)