© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/19 / 02. August 2019

Tarnen und täuschen
Österreich: Die „Schredder-Affäre“ setzt sowohl ÖVP als auch SPÖ unter Druck
Curd-Torsten Weick

Die Republik im Schredder-Fieber. Noch am 21. Juli ließ der Kurier eher unterschwellig verlauten, daß ein Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz am 23. Mai – also fünf Tage nach dem Auffliegen der Ibiza-Affäre – unter falschem Namen eine Druckerfestplatte von einer privaten Firma dreimal schreddern ließ. Durch diese „fragwürdige“ Aktion – der ÖVP-Mitarbeiter hatte die Rechnung nicht bezahlt – sei er ins Visier der „Soko Ibiza“ gerückt, so das Blatt. Im Anschluß habe die ÖVP den Vorgang als „ganz normal“ dargestellt und dies mit schlechten Erfahrungen, die man gemacht habe, gerechtfertigt. Schon bei anderen Gelegenheiten seien vertrauliche Dokumente an die Öffentlichkeit gespielt worden. Der Mitarbeiter habe auf Nummer sicher gehen wollen, daß niemand die Festplatte sehe.

Datenvernichtung – ein normaler Vorgang?

Am 23. Juli ließ dann das Wiener Magazin Falter die Bombe platzen. Nicht eine, sondern fünf Festplatten aus dem Bundeskanzleramt der Republik Österreich habe der Social-Media-Chef des Bundeskanzleramts, Arno M., unter dem Falschnamen „Walter Maisinger“ bei der Firma Reisswolf schreddern lassen. „Sein Verhalten ist absolut unüblich“, widersprach Reisswolf-CEO Siegfried Schmedler im Falter-Gespräch den Angaben von ÖVP und Sebastian Kurz.

Nach Angaben von Falter-Chefredakteur Florian Klenk gab Arno M. zu, Festplatten mitgenommen zu haben, auf denen „höchst sensible Infos – etwa zur Vorbereitung des Nationalen Sicherheitsrates – gespeichert gewesen sein könnten“. Alles sei mit zwei IT-Beamten besprochen worden, jenem aus dem Umfeld des Kanzleramtsministers  Gernot Blümel sowie dem offiziellen IT-Sicherheitsbeauftragten.

„Tarnen, Täuschen und Verleugnen – so agiert diese altschwarze ÖVP“, erklärte daraufhin FPÖ-Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein und resümierte: „Hier stinkt es gewaltig.“ Vor allem SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda empörte sich über die „vergeblichen Bagatellisierungsversuche rund um die schwarze Schredder-Äffäre von ÖVP-Chef Kurz“. Fakt sei: „Kurz hat einen seiner engsten Mitarbeiter vier Tage vor dem Mißtrauensantrag am 27. Mai heimlich Daten vernichten geschickt – wohlwissend, daß diese skandalöse Vorgehensweise nicht mit dem Archivgesetz im Einklang steht.“ 

Parallel dazu zeigte der Jetzt-Abgeordnete Peter Pilz Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und zwei Mitarbeiter im Kanzleramt im Zusammenhang mit der „Schredder-Affäre“ an. In einer Sachverhaltsdarstellung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft heißt es laut Apa, die Vernichtung von Datenträgern könnte die Tatbestände Betrug, Sach- und Datenbeschädigung sowie Unterdrückung von Beweismitteln erfüllen.

 Derart unter Druck, wandte sich Kurz am Montag via Facebook an die Öffentlichkeit: „Die vergangenen Tage haben das Ausmaß an Grauslichkeit deutlich gemacht, das dieser Wahlkampf mit sich bringen wird. 2017 – wir alle erinnern uns an die Schmutzkübel-Kampagne eines SPÖ-Beraters – war offenbar nur ein Vorgeschmack“, kritisierte der 32jährige, ohne allerdings auf die Schredder-Affäre einzugehen.

Schützenhilfe erhielt die ÖVP am Dienstag von der Kronen Zeitung. Derzufolge seien auch vor der Amtsübergabe von Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) an seinen Nachfolger Sebastian Kurz sieben Druckdatenträger vernichtet worden. Auch Kern betonte via Facebook, keinen Auftrag dazu erteilt zu haben. Beamte des Kanzleramts hätten das Prozedere durchgeführt. Und genau das sei der Unterschied zu seinem Nachfolger, argumentierte der ehemalige SPÖ-Chef.

Eher süffisant verurteilte daraufhin ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer die „unglaubliche Doppelmoral“ der SPÖ: „Daß ein Mitarbeiter von uns falsch gehandelt hat, kann man nicht wegwischen, das war nicht korrekt und dafür hat er sich schon entschuldigt und den Schaden beglichen. Daß jedoch zeitgerecht vor einem Regierungswechsel Festplatten ausgebaut und vernichtet werden, ist spätestens seit heute nicht mehr außergewöhnlich, sondern vielmehr ein normaler Vorgang“, so Nehammer.