© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/19 / 02. August 2019

Die alte Ordnung kehrt nie zurück
Wie kann angesichts zunehmender Einschränkungen die künftige Kommunikation aussehen?
Markus Schleusener

Viele Deutsche klagen über eine spürbare Beeinträchtigung ihrer Reichweite in den sozialen Medien (JF 3/19). So berichtet ein verantwortlicher Mitarbeiter der AfD vor allem mit Blick auf Twitter über „ein quantitatives Mißverhältnis gegenüber linken Nutzern“. Der Social-Media-Manager macht dies an verschiedenen Dingen fest: Shadowban, Verifizierungen, die nicht mehr vorgenommen werden, und Influencer wie Kolja Bonke (JF 24/17), die nicht mehr dabei sind. Viele AfD-Abgeordnete seien zudem gesperrt worden. Dabei geht es nicht nur um die Alternative für Deutschland, sondern um alle Publizisten und (Mikro-)Blogger im konservativen Milieu. Die jüngste Zensurwelle gegen Joseph Paul Watson, Alex Jones und andere (JF 20/19) hat vielen die Augen geöffnet: Wer sich nicht nach Alternativen zu den etablierten Netzwerken umsieht, der könnte bald bedeutungslos sein.

Welche Maßnahmen sind nötig? Zunächst mal sollte jeder, der über Facebook oder Youtube mit vielen Leuten kommuniziert oder sogar Geld verdient, diesen Kanal nutzen, solange es noch geht. Auch ein eingeschränkter Kanal, der Zehntausende erreicht, ist mehr wert als ein neuer, der erst einmal aufgebaut werden muß. 

Stets neue Wege ausprobieren

Dabei gilt es, die Regeln, die das jeweilige Netzwerk aufstellt, zu beachten. Filme sind besser als Bilder sind besser als reine Texte – das war gestern. Inzwischen ist die Programmierung von Facebook beispielsweise weit vorangeschritten. Relevant ist nicht mehr automatisch, was viele Klicks bringt. Neu ist, daß Facebook keine negativen Gefühle wecken will und daher zum Beispiel fröhliche Likes höher bewertet als wütende. Die Botschaften müssen also unterhaltsamer verpackt werden als bisher. 

Die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat ein Video über den Abgeordneten Georg Kössler gemacht, der vorgibt, das Klima retten zu wollen, auf seiner Instagram-Seite aber lauter exotische Reiseziele (Myanmar, US-Westküste etc.) zeigt. Der Kurzfilm schlug ein wie eine Bombe: fast eine Million Reichweite. „Damit haben wir die Filterblase durchbrochen“, frohlockt Thorsten Elsholtz, Kommunikationschef der AfD-Fraktion. Eine solche Neuausrichtung der Kommunikation tut dem eigenen Image gut.

Dazu kann auch gehören, daß jemand geschickt selbstironisch auftritt und sein eigenes „Anti­Konto“ aufbaut, etwa so wie „MartinSellnerParody“ bei Instagram.

Überhaupt Instagram: Die Foto-Plattform erlebt gerade vor allem bei jungen Leuten den großen Durchbruch. Dieses Wachstum bietet große Chancen auch für diejenigen, die jetzt erst einsteigen. Jeder vierte zwischen 18 und 24 Jahren bezieht seine Nachrichten dort. Das soziale Netzwerk soll Facebook als Hauptquelle abgelöst haben.

Mit ihrem Dasein als Nischenprodukt kämpfen Kurzmitteilungsdienste wie Threema oder Telegram. Um mit vielen Leuten gleichzeitig zu kommunizieren zu können wie bei Twitter und Co. lohnt es sich bei Telegram eine Gruppe zu erstellen, wie kürzlich Martin Sellner mit „Telegramelite“. Whatsapp hat Kettensendungen gerade erst eingeschränkt. Trotzdem kann es für bestimmte Zwecke hilfreich sein, auch hier Gruppen einzurichten, um Informationen zu teilen. 

Unerläßlich ist es hingegen, einen eigenen Kanal aufzubauen. Nichts ist im Zeitalter von NetzDG-Zensur sicherer als die eigene Webseite und der eigene Newsletter. Achtung: Die Einrichtung muß DSGVO-konform sein, sonst droht Ärger wegen eines Datenschutzverstoßes.

Außerdem bietet es sich an, neue unabhängige Plattformen auszuprobieren. Allerdings haben alle das gleiche Problem: ihr Image. Das „russische Facebook“ vk.ru galt bis vor einigen Jahren als eine Art Geheimtip, wurde aber vom deutschen Mainstream auch als Eldorado für Hetzer verunglimpft. Zudem steht die Seite unter Kontrolle des Kreml, was auch zu einem Problem werden könnte. 

Ähnlich verhält es sich mit gab.ai (JF 25/19), dem texanischen Twitter-Pendant, das ohne jegliche Zensur auskommt. Es wird als Rassistenplattform diffamiert, was viele Leute davon abhalten könnte, sich dort anzumelden. Beim neuen Youtube-Ersatz Bitchute wimmelt es von abschreckender NS-Propaganda und Verschwörungstheorien. Wer will schon seine Botschaft in diesem Umfeld plazieren?

Fazit: Viele Wege führen nach Rom. Eines ist klar: Stillstand wird nicht belohnt. Wer erfolgreich über das Internet Leute erreichen will, muß ständig neue Mittel ausprobieren. Der Staat und die sogenannte Zivilgesellschaft schlafen nicht. Sie werden alles daransetzen, die Deutungshoheit zurückzugewinnen. Correctiv, NetzDG, Anti-Hate-Speech-Kampagnen und die Ausweitungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (JF 29/19) – das sind allesamt ängstlich erscheinende Maßnahmen, zusammengenommen wirken sie allerdings. 

Die neuen Medien bieten jedoch nach wie vor die Chance für einen wahrhaft herrschaftsfreien Diskurs. Die alte Ordnung kehrt nie zurück, in der der Bürger nur Konsument von linearen Nachrichten war, die von einer Handvoll Verleger und Journalisten ausgewählt wurden.