© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 33/19 / 09. August 2019

Verharmloste Folklore
Berlin: Die Serie von Brandanschlägen auf Autos hält an / Grüne Bezirksbürgermeisterin verspottet Opfer
Björn Harms

In Berlin vergeht derzeit kaum eine Nacht ohne brennende Autos. Am Sonntag zündete ein unbekannter Täter im Bezirk Hellersdorf einen Pkw an, einen Tag zuvor war ein Auto in Spandau in Flammen aufgegangen. Auch im Wedding und in Neukölln brannten am Wochenende mehrere Fahrzeuge. Die Berliner Polizei geht mittlerweile von über 330 Fahrzeugen aus, die seit dem 1. Januar einem Brandanschlag zum Opfer fielen. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr waren es 446 Fahrzeugbrände. 

Weil die Serie nicht abreißt, hat die Polizei bereits Mitte Juli dieses Jahres die Ermittlungsgruppe „Nachtwache“ eingerichtet. Fünf Beamte des Landeskriminalamtes sollen verstärkt Aufklärung betreiben: Wer sind die Täter? Kommen sie aus dem linksextremistischen Spektrum? Sind es überhaupt mehrere? Innensenator Andreas Geisel (SPD) nimmt an, daß ein Serienbrandstifter für viele der wiederholten Autobrände verantwortlich ist. „Wir stellen das daran fest, in welchen Stadtteilen Berlins Autos brennen, welche Modelle das sind und welche Bekenntnisse es dazu gibt“, begründete Geisel seine Einschätzung gegenüber dem RBB. 

Inwiefern diese Erkenntnisse für eine Einzeltätertheorie sprechen, ließ er jedoch unbeantwortet. Gleichzeitig geht der Innensenator davon aus, daß die Taten „nicht politisch motiviert sind, jedenfalls nicht alle“. Konkreter wurde er auch hier nicht. Die Behörden seien wachsam, versicherte der SPD-Politiker. „Wir haben jetzt im Moment 18.000 Polizisten auf der Straße, die alle mal schauen.“ Frei nach dem Motto: Wenn jeder mal ein bißchen guckt, wird sich schon irgendwann ein Täter zeigen.

Die Berliner CDU bemängelt schon seit längerem eine fehlende Strategie des Senats und will deshalb „nicht länger zuschauen“, wie Berlin „zum nächtlichen Spielplatz von Brandstiftern verkommt“, kündigte ihr innenpolitischer Sprecher Kai Wegner an. Die Partei greift nun zu drastischen Mitteln: Sie will Hinweise, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung von Autobrandstiftern führen, mit einer Prämie von bis zu 1.000 Euro belohnen. „Wir erwarten zugleich, daß der Senat sein Schweigen bricht und eine Strategie erkennen läßt, wie die Brandserie der letzten Jahre gestoppt werden kann“, forderte Wegner. „Die fünfköpfige Sonderkommission kann ja nur ein Anfang sein.“

„Häufig werden Täter noch als ‘Aktivisten’ verharmlost“

„Brennende Fahrzeuge gehören in Berlin leider zum Alltag“, bedauert auch der innenpolitische Sprecher der Berliner AfD, Karsten Woldeit, im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Gefaßte Täter aus der linksextremen Szene würden „häufig noch als ‘Aktivisten’ und ‘Gentrifizierungsgegner’ verharmlost werden“. Gerade in diesem Phänomenbereich zeige sich, „daß der Senat und insbesondere der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg diese Kriminalität stillschweigend zu dulden scheint. Man beschützt somit seine eigene Klientel.“ 

Daß gerade in Kreuzberg das Thema nicht allzu ernst genommen wird, bewies zuletzt auch die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). Sie verhöhnte auf ihrem privaten Twitterprofil die Opfer der Brandanschläge. Ein Nutzer hatte es gewagt, sie zu fragen, wann endlich etwas gegen die ständigen Autobrände im Bezirk unternommen werde. „Das Xhainer Sonderkommando ist den Tätern auf der Spur“, spottete die Grünen-Politikerin in ihrer Antwort. „Sobald sich der Verdacht bestätigt, wird unsere bezirkliche Spezialeinheit den Zugriff auslösen. Die Gefängnisse im Rathaus stehen bereit. Unser Gericht wird harte Strafen verhängen. Dann ist endlich Schluß damit!“ 

Einen Tag später ruderte sie in einer offiziellen Stellungnahme zurück. „Dieser Angriff und die blinde Zerstörungswut machen mich wütend und fassungslos“, hieß es plötzlich. „Die Täter*innen zerstören nicht nur das Eigentum anderer Bürger*innen, sie nehmen dabei leichtfertig in Kauf, daß Menschen zu Schaden kommen. Ich begrüße daher den Einsatz der Ermittlungsgruppe Nachtwache der Polizei. Gegen derartige Taten muß intensiv vorgegangen werden.“

Sie habe mit ihrer ironischen Antwort lediglich auf „rechte Polemisierung“ reagieren wollen, teilte Herrmann mit. Der Tagesspiegel-Autor Harald Martenstein sah darin Parallelen zur DDR. „Kritik, auch von fast jedem nachvollziehbare Kritik, wird gern mit dem Hinweis ‘rechts’ stigmatisiert und auf dem Stapel ‘ihr könnt mich mal’ abgelegt“, schrieb er in seiner Kolumne. „So hat man es übrigens auch in der DDR gemacht. Wer sich zu irgendwas kritisch äußerte, war damit automatisch ein Konterrevolutionär.“