© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 33/19 / 09. August 2019

Hassen, ganz häßlich hassen
„Hate speech“: Die Bundesregierung finanziert Nichtregierungsorganisationen mit Millionen für den Kampf gegen Hetze im Netz / Hessen für Strafverschärfungen
Christian Vollradt

Hetze, Haßrede, Hate speech, Haßpostings – viele Begriffe, ein Phänomen. Das, so hat es den Anschein, ganz oben auf der Agenda der zu bekämpfenden Erscheinungen steht. Knapp 14 Millionen Euro stellte die Bundesregierung seit 2017 für den Kampf gegen Hate speech zur Verfügung. 34 Projekte wurden damit gefördert, zu den Empfängern gehört neben anderen auch die Amadeu-Antonio-Stiftung, teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion mit.

Im vergangenen Jahr zählte das Bundesinnenministerium bundesweit 1.472 Haßpostings. Die überwiegende Mehrheit von ihnen, nämlich 1.130, wurden der politisch motivierten Kriminalität (PMK) „rechts“ zugeordnet, 126 der PMK „links“, 49 der PMK „religiöse Ideologie“ und 45 der PMK „ausländische Ideologie“. 122 waren nicht eindeutig zuzuordnen. Dabei legen die Stellen, die solche Fallzahlen erheben, unterschiedliche Definitionen zugrunde, teilte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion mit. 

Für das Bundesamt für Verfassungsschutz sind Haßpostings „Beiträge im Internet, die in allen Phänomenbereichen im Rahmen von Debatten zu aktuellen Themen eine Emotionalität und zum Teil auch Schärfe aufweisen, die jenseits der freien Meinungsäußerung liegen beziehungsweise bei denen die Schwelle zur Strafbarkeit mitunter deutlich überschritten wird“. Dies können Drohungen, Nötigungen, Verunglimpfungen sowie Aufrufe zu Straf- und Gewalttaten sein. 

Die „Kommission Staatsschutz“ der Länder und des Bundes verzeichnet als Haßpostings nur Straftaten, die „Anhaltspunkte dafür geben, daß diese wegen einer zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder Engagements, Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physischer und/oder psychischer Behinderung oder Beeinträchtigung, sexueller Orientierung und/oder sexueller Identität oder äußeren Erscheinungsbildes kausal gegen eine oder mehrere Person(en), Gruppe(n) oder Institution(en) gerichtet sind“. 

„Mehr Druck auf Plattformbetreiber“

Von einer „noch sehr offenen Definition“ spricht sogar die Bundeszentrale für politische Bildung. Wegen fehlender „Begriffsschärfe“ handele es sich eher um einen politischen denn juristischen Begriff, angesiedelt in einer „Grauzone, welche sowohl strafbare als auch nichtstrafbare Ausdrucksweisen einschließt“. Da laut Bundesregierung die Nutzerbeschwerden „gegen Haßkriminalität und andere strafbare Inhalte nach wie vor nicht unverzüglich und ausreichend bearbeitet wurden“, bestehe „weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf“. Das sieht man nicht nur in Berlin so. 

Ganz vorne dabei im Kampf gegen den „Haß im Netz“ ist Hessen. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat dies im aktuellen Spiegel noch einmal bekräftigt und die „massive Initiative gegen Hate Speech“ im Koalitionsvertrag seiner schwarz-grünen Regierung betont. Wer sich „im Netz übel und strafbar gebärdet, muß konsequent strafrechtlich verfolgt werden“, sagte er dem Hamburger Nachrichtenmagazin. Zudem wünsche er sich „mehr Druck auf die Plattformbetreiber“. 

Bereits Ende vergangenen Jahres hatten CDU und Grüne vereinbart, sie wollten „intensiv gegen Haßkommentare im Internet vorgehen und uns für eine schnellere Löschung einsetzen“. Dabei setze man vor allem auf die Kooperation mit der „Zivilgesellschaft“. In diesem Zusammenhang kündigte die Landesregierung im Juli zwei „Mitmachaktionen“ gegen Hetze an, bei denen die Bürger online um eine Teilnahme gebeten würden.

Parallel bereitet das Wiesbadener Justizministerium eine Bundesratsinitiative vor, um Beleidigungen und andere Straftaten im Internet härter zu ahnden, als wenn sie auf der Straße geäußert würden. Außerdem ist laut Medienberichten vorgesehen, Beleidigung im Internet zu einem Offizialdelikt zu machen, das auch ohne vorherige Anzeige von seiten der Staatsanwaltschaft Ermittlungen nach sich zieht. Privatpersonen müßten so nicht mehr auf eigene Kosten eine Zivil- oder Privatklage anstreben. Der Bundesrat tagt wieder Ende September.