© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 33/19 / 09. August 2019

Zeitschriftenkritik: Ruperto Carola
Absolut & relativ
Werner Olles

Wissenschaft lebt vom Perspektivenwechsel. Scheinbar absolute Gewißheiten weichen neuen Ergebnissen und Erkenntnissen. Aber ist tatsächlich alles nur relativ? Eines der bekanntesten Ergebnisse der Beschäftigung mit dieser Frage ist Albert Einsteins Relativitätstheorie, die vor mehr als hundert Jahren die Wissenschaft revolutionierte. Auch heute noch berühren seine Erkenntnisse die Forschung, und so ist die Relativitätstheorie eines der Themen des aktuellen Forschungsmagazins Ruperto Carola der Universität Heidelberg (Ausgabe 14), das zweimal jährlich Fragestellungen aus verschiedenen Disziplinen kritisch nachgeht.

Über „Kontrollierte Pluralität“ diskutieren die Materialwissenschaftlerin und Professorin für Angewandte Chemie Jana Zaumseil und der Religionsphilosoph Philipp Stoellger. Daß absolute Präzision in der Wissenschaft eine Illusion ist, gilt bei Studenten und Dozenten der Kultur- und Geisteswissenschaft als Standardüberzeugung, was jedoch „ab einem gewissen Punkt absolut intolerant ist“(Stoellger), während für die Naturwissenschaftlerin die absolut gültige Regel lautet, daß alles relativ ist. Zu den wenigen Ausnahmen zählt sie die Naturkonstanten, da diese nicht verhandelbar seien und ohne ein Grundmaß an feststehenden Werten ein System früher oder später nicht mehr funktionieren würde. Zwar bekomme man durch ein Experiment Hinweise, doch nur weil ein Meßwert beispielsweise jetzt so sei, bedeute dies nicht, daß man einen absoluten Beweis habe. Da sei man wieder an dem Punkt, wo man sagen müsse, absolute Präzision ist Illlusion.

Der Beitrag „Absolutes und relatives Gehör“ der beiden Neurowissenschaftler Jan Benner und Peter Schneider befaßt sich mit dem absoluten Gehör als Krönung der Musikalität. Tatsächlich hatten jedoch viele berühmte Komponisten und Musiker kein besonders gutes Gehör (Richard Wagner, Maurice Ravel, Igor Strawinsky oder Peter Tschaikowsky), während andere wie Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Georg Friedrich Händel, Ludwig van Beethoven, Frédéric Chopin, Yehudi Menuhin oder Pierre Boulez das absolute Gehör besaßen. Offensichtlich stellt dies jedoch nicht unbedingt ein Leistungsmerkmal dar, nicht selten ist es Musikern sogar hinderlich. So haben absolut hörende Organisten Schwierigkeiten, wenn sie an Instrumenten mit ganz unterschiedlichen Kammertönen spielen müssen, etwa an historischen Orgeln, die mitunter um zwei oder drei Halbtöne tiefer oder höher gestimmt sind.

Wie es dazu kommt, daß Computersysteme, das Internet und die Vielzahl von Cloud-Diensten für bis zu zehn Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich sind und jedesmal ein kleines CO2-Wölkchen entsteht, wenn man bei Google für eine Suchabfrage auf die Enter-Taste drückt, beschreibt der Experimentalphysiker und Gründungsdirektor des Heidelberger Zentrums für Quantendynamik Matthias Weidemüller in seinem Beitrag „Das kälteste Gas des Universums“.

Kontakt: Universität Heidelberg, Komunikation und Marketing, Grabengasse 1, 69117 Heidelberg

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