© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 33/19 / 09. August 2019

Aufruf zur Selbstliebe
Musikindustrie: Koreanischer Pop erobert weltweit die sozialen Medien und die Kinderzimmer
Boris T. Kaiser

Eine schriller neuer Musiktrend erobert derzeit international die Clubs, Konzertarenen sowie Kinder- und Jugendzimmer. Anders als in der Vergangenheit, als popkulturelle Phänomene meist von den USA, Großbritannien oder, wie im Falle des Technos, von Deutschland aus die Welt eroberten, ist es diesmal ein asiatischer Musikstil, der die Teenie-Herzen rund um den Globus höher schlagen und so manche Elternohren bluten läßt. 

„K-Pop“ nennt sich das koreanische Genre, das sich in den 1990er Jahren rasant entwickelte und in der Folge immer stärker ausbreitete. Die „Koreanische Welle“ oder Hallyu, wie man in der Landessprache sagt, schwappte zunächst auf ganz Asien dann auf den Nahen Osten und Teile Afrikas über. Jetzt wird die südkoreanische Variante des japanischen J-Pop auch in den USA und Europa immer beliebter.

Seinen internationalen Triumph­marsch hat der K-Pop auch der Videoplattform Youtube zu verdanken. Hier erfreuen sich die bunten asiatischen Musikclips größter Beliebtheit beim jungen Publikum. Die Girlgroup Blackpink hat mit dem Video zu ihrer Single „Kill This Love“ in diesem Frühjahr gar einen neuen Youtube-Rekord aufgestellt. Nach nur 33 Minuten hat es die Grenze von einer Million Besuchen geknackt. Damit stieß die Mädchenband aus Südkorea die bisherige Rekordhalterin Ariana Grande vom Thron, deren Single „Thank U, Next“ die Schallmauer von einer Million Klicks „erst“ nach einer Stunde und zehn Minuten durchbrach. Nur einen Tag nach Veröffentlichung hatten die Koreanerinnen bereits über 52 Millionen Clip-Aufrufe.

Als Wegbereiter der koreanischen Popmusik in den westlichen Mainstream muß sicher auch die Boygroup BTS angesehen werden. Die siebenköpfige Band brachte es gar schon zu einem Auftritt vor den Vereinten Nationen. Bei der 73. Sitzung der UN-Generalversammlung in New York stellte die Band das Projekt „Generation Unlimited“ vor.

Der „Leader“ der Gruppe, „RM“, sprach in seiner Rede an die mächtigen der Welt zum Thema „Selbstliebe“. „Mit unserer Kampagne Love Myself sprechen wir über die Bedeutung der wahren Liebe. Wir ermutigen junge Menschen, die Liebe aus sich selbst heraus zu finden und diese Liebe an andere weiterzugeben. Wir denken, daß die gegenseitige Unterstützung von Jugendlichen untereinander ein erster wichtiger Schritt ist, um Liebe zu zeigen“, so der Rapper und Unicef-Unterstützer.

Ursprünge liegen im 19. Jahrhundert 

Es war jedoch ein langer Weg für den kunterbunten, teilweise mangaähnlichen  Asia-Plastikpop, denn auch wenn er wirkt, als sei er geradezu für das schnelllebige Internetzeitalter gemacht, sollen die Ursprünge der Musik bereits in der Endphase des 19. beziehungsweise im Beginn des 20. Jahrhunderts liegen. Ungeachtet ihres Talents, war es den koreanischen Sängern unter der japanischen Herrschaft untersagt, sich eigenständig künstlerisch auszudrücken. Die Parallelen zum japanischen Pendant sind bis heute unleugbar geblieben. Auch die US-Truppen und die von ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg veranstalteten Popkonzerte haben den Charakter des Genres stark geprägt. Viele der aktuellen Songs weisen eine geradezu globalistische Klangfärbung auf. Die Beats kommen immer öfter aus europäischen und natürlich US-amerikanischen Studios.

Manch einem mag das nach etwas zuviel kultureller Fremdbestimmung klingen. Viele Deutsche haben dagegen Gefallen an der koreanischen Popmusik gefunden. Inzwischen ist „Good old Germany“ fester Bestandteil der Europatourpläne etlicher internationaler K-Pop-Größen – samt Besuch der Bravo-Redaktion.

Für 2019 sind bereits mehrere Konzerte von Topstars der Szene wie dem koreanisch-amerikanischen Sänger Eric Nam oder der Sängerin Hyolyn geplant. Auch die Mädels von Blackpink haben ihren Fans in Deutschland bereits einen Besuch abgestattet. Karten für Sitzplätze im Premium-Bereich bei deren Konzert in der Berliner Max-Schmeling-Halle kosteten stolze 249 Euro. Stehplätze gab es für 129 Euro. Die K-Pop-Fanszene ist also eher ein elitäres Hörvergnügen und nichts für asienaffine Kinder aus dem Problemkiez.