© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 34/19 / 16. August 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
… daß zum Zwecke Wasser fließe
Paul Rosen

Zu den wichtigsten Requisiten in Bundestagsgebäuden gehören inzwischen – man mag es kaum glauben – Plastikeimer. Wischmops und große Lappen sind ebenfalls sehr gefragt. Denn bei einem starken Regenguß tropft das Wasser durch Dächer, Fenster und selbst Wände. Zwanzig Jahre nach seinem Erstbezug wirkte das Jakob-Kaiser-Haus, in dem die meisten Fraktionsführungen und viele Büros von Abgeordneten untergebracht sind, nach einem starken Regen Anfang August mehr wie ein Rohbau ohne Dach – und nicht wie ein repräsentatives Bürogebäude.

Die Eimer, die mit Papiertüchern ausgelegt werden, damit das Wasser nicht herausspritzt, reichten Anfang August nicht mehr – das Wasser drang in Sturzbächen in das Gebäude ein. Im Jakob-Kaiser-Haus gibt es überwiegend Glasdächer, die nicht richtig dicht sind. Das Glas hat einen wichtigen Grund: Viele Büros haben keine Außenfenster, und so kommt das Tageslicht durch die Glasdächer an die Schreibtische. Und bei Regen kommt immer mehr Wasser mit. 

Die Eimer gehören seit über einem Jahrzehnt zum Bild, niemand nimmt noch Notiz davon, auch wenn immer mehr dieser Plastikbehältnisse zumeist in roter Warnfarbe aufgestellt werden. Daß sich Anfang August sogar eine große Wasserlache vor dem Restaurant im Jakob-Kaiser-Haus bildete und der Übergang zum Ausgang beim ARD-Studio in der Wilhelmstraße wegen Rutschgefahr unpassierbar wurde – das hatte es ebensowenig schon mal gegeben wie einen Wassereinbruch durch die bis zum Boden reichenden Fenster in der Kantine im Paul-Löbe-Haus. 

Und seit Jahren plagt sich die Bundestagsverwaltung mit Wasserschäden im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus herum, wo sich die Bibliothek, Archive und der große Anhörungssaal befinden. Der Erweiterungsbau in Richtung Wilhelmstraße ist seit Jahren wegen Wasserschäden am Betonfundament unbenutzbar. Jetzt ist man angeblich einer Lösung des Problems nahe, und was macht das Wasser? Es kommt von oben. Denn im Lüders-Haus ist das Dach genauso undicht wie im Jakob-Kaiser-Haus, wo eine Reparatur vor einigen Jahren für rund 400.000 Euro nichts brachte. Seit Monaten sind Gerüste und Absperrungen zu sehen, da am Dach gearbeitet wird – ohne Erfolg. Der jüngste Wassereinbrauch hat Teilen des Parkettbodens im Keller derart zugesetzt, daß der Bodenbelag großflächig ausgetauscht werden muß. Erst einmal läuft Tag und Nacht ein Trocknungsgerät, da das Parkett auf nassem Grund nicht neu verlegt werden kann. Die Außenfenster sind doppelt verglast. Zwischen den beiden Scheiben läuft in vielen Büros das Wasser.

In und an den mit dem Berlin-Umzug 1999 bezogenen Bundesbauten waren von Anfang an massive Probleme sichtbar: Außenfassaden mußten nach wenigen Jahren ebenso saniert werden wie die obere Fußgängerbrücke, die das Löbe- mit dem Lüders-Haus verbindet (Spottname: „höhere Beamtenlaufbahn“). Im Jahr 2000 wären beinahe die Bundestags-Server wegen eines Wassereinbruchs abgesoffen. Die Schadensbeseitigung kostete damals fast zwei Millionen Euro.