© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG  www.jungefreiheit.de 34/19 / 16. August 2019

Grüße aus Wien
Mal wieder ins Kino
Michael Link

Das Jahr 2019 ist voller besonderer Jubiläen: „100 Jahre Gemeindebau, 70 Jahre ‘Der dritte Mann’, 50 Jahre Mondlandung, 30 Jahre Mauerfall und 30 Jahre Volxkino!“

Etwas großspurig klingt dieser Jubiläumsslogan schon, obwohl ich zugeben muß: Für Freunde des Open Air-Kinos und der urban-kulturellen Umtriebigkeit mag es nicht überzogen sein. Und so feiert die St. Balbach Art Produktion mit österreichischen und internationalen Filmen das vollendete dritte Jahrzehnt des mobilen Filmfestivals, des ersten und ältesten Wiener Open-Air-Kinos.

Auch wenn nicht jeder Film, den ich unter dieser Bezeichnung und (meist regen-)freiem Himmel gesehen habe, meinem Geschmack entsprach: Mit drei bis vier Besuchen werde ich auch in diesem Sommer dem Volxkino die Treue halten. Jedenfalls sind rot-weiß-rote Filmpremieren immer wieder ein überzeugendes Argument. 

Noch mehr Schmäh verspricht Tikhonovas „Kaviar“ über Größenwahn und Russen-Klischees.

Christoph Schlingensiefs „Ausländer raus“ steht eher nicht auf meinem Programm. Ebenso wenig Ruth Beckermanns Film über Lüge und Wahrheit „Waldheims Walzer“.  Arman T. Riahis Streifen „ Die Migrantigen“ verspricht dagegen  Kurzweil. Im Mittelpunkt stehen Marko und Benny. Zwei Wiener mit Migrationshintergrund und schwarzem Haar, aber ohne Draht zu Kultur und Herkunft ihrer Eltern. Sie werden von einer „ambitionierten“ TV-Redakteurin entdeckt, die nach Protagonisten für ihre TV-Dokuserie sucht. Marko und Benny entwickeln sich zu  kleinkriminellen Migranten. 

Noch mehr Schmäh verspricht Elena Tikhonovas „Kaviar“ über Größenwahn und Russen-Klischees („Kleines Hirn, aber voll mit Kaviar“). Georg Friedrich, Simon Schwarz und Margarita Breitkreiz, deutsche Schauspielerin rußlanddeutscher Herkunft, garantieren beste Unterhaltung. 

Obwohl oftmals Straßenlärm und ein lautstark quatschendes Zaunpublikum meinen Filmgenuß gelegentlich trüben und mich gar manchmal zum verfrühten Heimweg veranlaßten, sind Filme wie Gustav Möllers adrenalinsteigerndes Krimi-Kammerspiel „The Guilty“ ein unvergeßliches Muß.  Vom 22. bis 24. August steht auf dem Columbusplatz das Spezialprogramm „Stumm und laut“ an, in dessen Rahmen Stummfilme von Livemusik begleitet werden. Auch wenn ich dann, vielleicht wie bereits im Vorjahr, beinah allein im Regenmantel sitzen werde, wäre das doch ein geradezu stilvoller Höhepunkt meines Volxkino-Jubiläumsjahres.