© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Freiheitsdemonstrationen in Hongkong
Peking zieht alle Register
Albrecht Rothacher

Die chinahörige Hongkonger Regierung von Carrie Lam hatte sich ihr Auslieferungsgesetz sicher einfacher vorgestellt. Ohnehin entführt das Pekinger Regime jeden aus der ehemaligen Kronkolonie, der bei ihm in Ungnade gefallen ist und locht ihn auf Nimmerwiedersehen ein. Jetzt demonstrieren seit Monaten buchstäblich Millionen Hongkonger gegen die juristische Ummantelung jener Praxis, die jeder Rechtstaatlichkeit offenkundig hohnspricht. Dies ist um so erstaunlicher, als jedermann zu wissen glaubt, daß junge Chinesen nur an Geld, Karriere und Konsum interessiert seien. 700 Festnahmen, 250 Verletzte und fünf Tote sprechen eine andere Sprache.

Dabei zieht Peking alle Register. Ominöse Agenten provozieren gewalttätige Zwischenfälle zur Diskreditierung der friedlichen Demonstranten. Die Beziehungen der Kommunistischen Partei zu den kriminellen Triaden haben Tradition. Und im benachbarten Shenzhen stehen die Truppen der Volksbefreiungsarmee wie weiland in Peking 1989 bereit. Auch Hongkongs Plutokraten werden nervös und rufen zum Ende der Proteste auf. Sie haben Angst vor einer Rezession und den Kollateralschäden des US-chinesischen Handelskriegs. Da von Donald Trump zum Thema per Twitter nur intellektuelle Wirrnis kam, rafften sich die EU und Kanada zu einer gemeinsamen Stellungnahme auf: Ein Appell zum Dialog und zur Deeskalierung. Ihr Wort in Pekings Ohr!