© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Auf zum letzten Gefecht
SPD: Es ist ein Jammer, doch die Zeit dieser hysterisierten Partei ist zu Ende
Matthias Matussek

Optimal sei das ganz bestimmt nicht, was wir gerade erleben, ließ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zur Kür des neuen SPD-Parteichefs verlauten – was eine Untertreibung ist. Wäre die Sache Rudi Carrells legendäre Familiensendung „Am laufenden Band“, würde dort ein Beutel Zitronen nach dem anderen vor den Augen des entgeisterten Publikums vorbeirollen und die personellen Restbestände einer komplett erledigten Partei vorführen, die ihren politischen Sinn schon vor Jahren eingebüßt hat.

Gut, jetzt ist auch ein Betonmischer namens Olaf Scholz aufs Band gehievt worden, als Garant für die Große Koalition, denn „Opposition ist scheiße“, wie der einstige Stratege Franz Müntefering verkündete, also „Macht um jeden Preis“.

Um jeden. Vor einigen Monaten bin ich überraschend auf die SPD gestoßen, auf der Kölner Domplatte, wo sich die tanzende Jugend zum „Internationalen Tag gegen Tanz- und Drogophobie“ treffen wollte – da stand ein fröhliches Fähnlein aufrechter Genossen, ein älterer Herr und ein paar Jüngere unter dem Regenbogen-Banner „SPD queer“, und ich dachte mir: Es gibt sie noch! Sie stehen halt immer da rum, wo sie keiner mehr erwartet, diese kichernden Nachfahren der einst großen kernigen Arbeiterpartei mit den schwieligen Klassenkampf-Fäusten, die entschlossen das rote Banner hochhalten!

Nun steigen also auch Ralf Stegner und Professorin Gesine Schwan in den Ring, für Nicht-Eingeweihte: der Typ, der ständig erfolglos versucht, mit seinen heruntergezogenen Mundwinkeln seine Schuhspitzen zu berühren, und die Dame mit dem lustigen Vogelnest aus Ringellöckchen auf dem Kopf. Nach der Meldung über die beiden also ist den Granden wohl gedämmert, daß das alles nicht der „heiße Scheiß“ ist.

Noch im anschwellenden „homerischen Gelächter“ (Tichys Einblick), das aus den sozialen Netzwerken hervorscholl, wollte ein Leser der Welt wissen, ob es demnächst „die SPD auf Comedy Central“ gebe, gefolgt von der besorgten Frage: „Wer wird dann Kanzler?“ Wir haben ja bereits eine sozialdemokratische Kanzlerin. Da aber die Wahlen im Osten ins Haus stehen, wo sehr wahrscheinlich die Karten auch auf Bundesebene neu gemischt werden, ist diese Frage nicht unberechtigt: Was kommt danach?

Auf Bundesebene regiert die SPD (noch) mit, weit über ihrer Gewichtsklasse, und sie wird versuchen, etwa mit der Forderung nach bedingungslosem Grundeinkommen und anderen etatistischen Späßen, also Steuererhöhungen und der Gießkanne sozialer Wohltaten, den angerichteten Scherbenhaufen so hoch wie möglich anwachsen zu lassen.

Die meisten Kandidaten sind für Ausstieg und eventuelle Koalitionen mit der Nachfolgepartei der stalinistischen Diktatur. Es gibt ja bereits einen Vordenker für Enteignungen, ja, das politische Berlin raunt, daß Scholz den linken Flügel gegen sich aufbringen und Juso-Chef Kevin Kühnert in die Schlacht führen werde. Und in China kippt ein Sack Reis um. Selbstverständlich gehören in Ermangelung der abhanden gekommenen Basis – einer Arbeiterklasse – kulturpolitische Ablenkungsmanöver jetzt zum Programm. Gendergerechte Sprache (wie bei dem wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretenen Hannoveraner Oberbürgermeister Stefan Schostok) und Klima: beides interessiert den traditionellen Malocher eher wenig.

Familienministerin Franziska Giffey möchte sich wegen einer womöglich gedokterten Doktorarbeit zurückziehen, aber im Ernst: Wer will schon mit diesem Haufen in den Sonnenuntergang reiten? Die es jetzt machen, tun es ausdrücklich kommissarisch. Da steht neben Manuela „Barbie“ Schwesig und Malu Dreyer der bleiche „Hessen-Gümbel“, der längst im politischen Schattenreich siedelnde Thorsten Schäfer-Gümbel, herum. Im Ernst? Schon die Kandidatur von Karl Lauterbach wirkte wie ein Witz, also des Mannes mit der Fliege und diesem leiernden Sprechgesang, der wirkt, als sei er gerade aus dem Tiefschlaf erwacht und sofort wieder auf dem Weg dorthin.

Was hat diese hysterisierte und mittlerweile unseriöse Partei im Ärmel? Noch eine aufgeblasene Messiasnummer à la Martin Schulz? Ein Bürgermeister Alexander Ahrens aus Bautzen? Er hatte 2015 als Parteiloser kandidiert und gewonnen. Bei der Europawahl hatte die AfD mit ihren 32 Prozent die SPD (6 Prozent) pulverisiert. Erst vor zwei Jahren trat Ahrens der SPD bei. Die Musik spielt längst woanders.

Apropos Musik: Es kann für die Partei jetzt nur noch um die Auswahl der Musik für den Zapfenstreich gehen. „Winds of Change“ ist schon vergeben, aber die „Internationale“ böte sich durchaus an, denn die ist bereits gendergerecht, Verdammte und Sklaven sind grammatisch geschlechtsneutral, nur bei den Müßiggängern empfehlen sich Sternchen und Binnen-Is, denn wer wollte behaupten, daß es nicht auch Müßiggängerinnen gäbe oder solche, die sich noch nicht entscheiden können. 

Doch eigentlich ist das alles kein Witz, sondern traurig. Es ist ein Jammer, was aus dieser Nachkriegs-SPD mit ihren überzeugten Patrioten und Antikommunisten als Parteivorsitzenden geworden ist. Mit prinzipienbewußten Kalibern wie Kurt Schumacher, der über die Kommunisten als „rotlackierte Faschisten“ wütete, oder Willy Brandt, der einst den „Radikalenerlaß“ beschloß und nach dem Mauerfall in den Pfiffen der Linken die deutsche Nationalhymne sang.

Oder eben Helmut Schmidt, der sich auch durch linken Terror nicht zu Zugeständnissen zwingen ließ und mahnende Worte gegen die Überfremdung der Bundesrepublik durch kulturell nicht integrierbare Moslems in Sandra Maischbergers Kamera sprach.