© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

„Das schaffen wir!“
Gelingt es der AfD, am 1. September in Sachsen stärkste Partei zu werden? Spitzenkandidat Jörg Urban ist trotz Rückstands zuversichtlich und droht nach dem Sieg vor dem Verfassungsgerichtshof mit Konsequenzen
Moritz Schwarz

Herr Urban, gewinnt Ihre AfD das Wettrennen gegen die CDU?

Jörg Urban: Ja, das schaffen wir!

Was macht Sie so optimistisch?

Urban: Zum Beispiel die gute Stimmung im Land zu unseren Gunsten.

Aber die Union führt laut letzter Umfrage mit 28 Prozent und drei Punkten.

Urban: Erstens schwanken Umfragen stets, zweitens lagen wir bei jeder Wahl am Ende klar höher als vorausgesagt.

Stimmt nicht, zuletzt haben sie bei Prognosen bis acht Prozent nur 6,1 erzielt.

Urban: Bei der Bremen-Wahl im Mai – ich spreche von der Sachsen-AfD!

Was, wenn Sie wirklich stärkste Kraft werden?

Urban: Dann haben die anderen Parteien ein Problem, denn dann haben  wir den Auftrag zur Regierungsbildung.

Und was, wenn nicht?

Urban: Macht es das für die anderen kaum besser. Denn auf jeden Fall werden wir, nach Zuwachs, deutlicher Gewinner der Wahl und die CDU mit erheblichen Verlusten ihr Verlierer. Zudem wird die Union nicht in der Lage sein, eine Regierung nach ihren Vorstellungen zu bilden, sondern ist wegen ihrer Koalitionspartner zu einer grünen Politik gezwungen – was ihr weiter schaden wird. Eine Koalition mit der AfD wird es allerdings nur zu unseren Bedingungen geben.

Daran glauben Sie nicht wirklich?

Urban: Einige CDU-Abgeordnete werden sich sehr wohl überlegen, ob es für sie perspektivisch klug ist, in eine linke Koalition einzutreten und als Quittung in fünf Jahren ihr Mandat zu verlieren.

Schon wenn die Union nur über eine Koalition mit Ihnen nachdächte, würde die Parteispitze intervenieren, Teile der Bundespartei rebellieren, die Medien protestieren und das Ausland sich, bestellt und unbestellt, echauffieren. Sie glauben ernstlich, dem würde die Sachsen-CDU standhalten?

Urban: Mittlerweile sind die meisten sächsischen CDU-Parlamentarier Berufspolitiker, sprich abhängig von ihrem Mandat. Zudem wünschen sich etliche von ihnen eine konservative Besinnung ihrer Partei. Und der Erfolg der AfD ist ein klares Zeichen für die Stimmung im Land. Denn in Sachsen wollen auch die meisten CDU-Wähler keine linke Politik. Wenn Herr Kretschmer also am Wahlabend denkt, er habe trotz allem die Nase vorn und könne mit SPD und Grünen regieren, wird sich das rächen.

Er hat doch schon angekündigt, daß er das tun wird.

Urban: Ich wiederhole, ignoriert er die Stimmung, dann rächt sich das! Womit ich nicht sage, daß er das nicht dennoch tut. Tatsächlich glaube ich sogar, daß er diesen Fehler machen wird. Nur halte ich es nicht, wie Sie, für ausgeschlossen, daß er nicht so dumm ist und sehe also durchaus eine Chance, daß er sich noch besinnt.

Müssen Sie nicht dankbar sein, wenn das nicht der Fall ist?

Urban: Weshalb?

Sind Sie denn in der Lage zu regieren? Dazu fehlt es der AfD doch immer noch an Erfahrung und Personal.

Urban: Falsch. Zum einen sind die meisten Beamten eines Ministeriums gar nicht austauschbar – es gäbe also jeweils nur ein paar Dutzend Stellen neu zu besetzen. Zum anderen haben wir unter unseren 25.000 Parteimitgliedern deutschlandweit etliche mit entsprechender Erfahrung. Und natürlich würden wir auf die Fachleute der Gesamtpartei zurückgreifen, sollten wir mitregieren. Und schließlich haben wir uns bereits schulen lassen, wie man Ministerien übernimmt und führt.

Was ist mit der FDP?

Urban: Ob die es, mit fünf Prozent in den Umfragen, überhaupt in den Landtag schafft, ist fraglich. Und wenn, dann wird das keinen Unterschied machen.

Eine FDP-Beteiligung würde das „bürgerliche“ Element in Ministerpräsident Kretschmers neuer Koalition stärken und deren Linksdrall mindern.

Urban: Nein, die FDP hat sich noch immer als sehr „anpassungsfähig“ erwiesen. Und glauben Sie nicht, Jamaika sei im Bund tatsächlich an inhaltlichen Überzeugungen gescheitert. Herr Lindner hatte schlicht erkannt, daß die FDP sonst entzaubert und wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden würde.      

Die FDP in Sachsen, unter dem unkonventionellen Holger Zastrow, ist allerdings bekanntlich anders.

Urban: In puncto Anpassungsfähigkeit nehmen sich FDP in Bund und Land nichts. Nein, das sehe ich wirklich anders als Sie.

Die Aufhebung Ihrer Kandidatenliste durch den Landeswahlausschuß hat für Schlagzeilen und – „Rechtsradikal ist gleich dumm. Zu blöd, eine Liste aufzustellen.“ (Johannes Kahrs) – Spott gesorgt. Zum Vor- oder Nachteil für Sie?

Urban: Es hat sich klar als Vorteil erwiesen, da der Eingriff – übrigens ist der betreffende Landeswahlleiter CDU-Mitglied – rechtswidrig war. Das hat vielen Bürgern die Augen geöffnet, mit welchen Mitteln hier gegen eine Oppositionspartei vorgegangen wird!

Daß der Wahlausschuß vor dem sächsischen Verfassungsgerichtshof mit seiner Interpretation unterlegen ist, bedeutet doch noch nicht, daß seine Absicht die Diskriminierung der AfD war.

Urban: Das Gericht hat klar gesagt, daß dessen Vorgehen „nicht mit den Wahlgesetzen vereinbar“ ist, daß es „unsere Chancengleichheit“ verletzt hat und es „klar rechtswidrig“ist – das ist eindeutig! Deshalb werden wir auch Strafanzeige gegen die Landeswahlleitung und wohl auch das Innenministerium stellen sowie einen Untersuchungsausschuß im Landtag beantragen, um diesen gezielten Rechtsbruch aufzuklären!

Auch in Sachsen sind Bündnis 90/Die Grünen mit plus 6,3 gegenüber der Wahl 2014 auf jetzt zwölf Prozent enorm im Aufwind. Können Sie erklären warum, zumal Sie als ehemaliger Landesgeschäftsführer des Öko-Netzwerks Grüne Liga selbst aus dem Naturschutz kommen?

Urban: Die Grünen haben wegen ihrer klaren Ansagen und des aktuellen Klima-Hypes Konjunktur. In Sachsen allerdings nicht dergestalt, daß sie wie in anderen Bundesländern der CDU Wähler abwerben. Hierzulande ist das vor allem eine Wanderung innerhalb des linken Lagers zu Lasten der SPD. Deshalb widerspricht der Zuwachs der Grünen auch nicht der eigentlichen Stimmung im Land, die eindeutig zu unseren Gunsten ausfällt und uns zur neuen Volkspartei Sachsens macht!






Jörg Urban, ist Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Sachsen. Geboren wurde der Wasserbauingenieur, der als Projektmanager im Natur- und Landschaftsschutz tätig ist, 1964 in Meißen. Seit 2014 sitzt er im Landtag, seit 2018 ist er Landeschef der Partei.  

 www.joerg-urban.de

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