© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Des Zweifels General
Beschwerde: Hat der Kommandeur des Zentrums Innere Führung Untergebene politisch beeinflußt? / AfD fordert Suspendierung
Christian Vollradt

Die Auseinandersetzung über das Verhältnis der Bundeswehr und ihrer Soldaten zur AfD (JF 34/19) geht weiter. Der Obmann der AfD-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuß, Rüdiger Lucassen, hat Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) schriftlich aufgefordert, Ermittlungen gegen den Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Reinhardt Zudrop, einzuleiten und den Generalmajor von seiner Funktion zu suspendieren. Lucassen bezieht sich auf eine Eingabe, die kurz zuvor beim Wehrbeauftragten des Bundestags eingegangen ist und die sowohl dem Ministerium wie auch dem AfD-Obmann zur Kenntnis geleitet wurde. 

Darin wird ein Vorfall beschrieben, der sich am 24. Juni am Standort des Zentrums in Koblenz zugetragen haben soll. Während des Antretens habe sich Kommandeur Zudrop zu einem einen Tag zuvor in der Bild am Sonntag erschienenen Interview mit dem CDU-Politiker Friedrich Merz geäußert. Bezogen auf Merz’ Aussage („Wir verlieren Teile der Bundeswehr und der Bundespolizei an die AfD“) habe der General „vor versammelter Mannschaft eine Wahlentscheidung von Soldaten zugunsten der AfD scharf verurteilt und sinngemäß geäußert, daß die AfD keine ‘von Soldaten wählbare Partei’ sei, insbesondere deshalb nicht, da es ‘in der AfD Rechtsextremisten’ gebe“, schildert der Beschwerdeführer den Vorgang. 

Zwar dürfe der Generalmajor als Staatsbürger in Uniform eine solche Meinung im Gespräch mit Kameraden äußern; das Soldatengesetz verbiete jedoch, sich im Dienst zuungunsten einer bestimmten politischen Richtung zu betätigen. Vor allem habe der Kommandeur mit dieser Aussage gegen Paragraph 15, Absatz 4 des Soldatengesetzes verstoßen, in dem es heißt: „Ein Soldat darf als Vorgesetzter seine Untergebenen nicht für oder gegen eine politische Meinung beeinflussen.“ 

Für Lucassen wiegt dieser Vorfall deshalb „besonders schwer, weil der verantwortliche Repräsentant der Bundeswehr für die Innere Führung die Grundsätze  der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in schwerwiegender Form verletzt“ habe. Ein solch „dramatischer Verstoß gegen das Neutralitätsgebot des Staates“ dürfe gerade am Zentrum Innere Führung als maßgeblicher Bildungseinrichtung für den Staatsbürger in Uniform nicht geduldet werden, schrieb der AfD-Abgeordnete an die Ministerin. 

Ein Sprecher des Zentrums Innere Führung stellte den Vorgang auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT abweichend dar. Tatsächlich habe der Kommandeur während einer internen Dienstversammlung mit Weiterbildung auf die oben zitierte Aussage Friedrich Merz’ Bezug genommen. In einer „ausdrücklich als seine persönliche Auffassung gekennzeichneten Stellungnahme führte General Zudrop sinngemäß aus“, daß ihm die Schlagzeile „ohne Hinterlegung mit Fakten zu pauschal“ sei und ihn verärgert habe. Die AfD sei „als Ergebnis einer demokratischen Wahl im Deutschen Bundestag vertreten“, gleichwohl könne er „diese Partei nicht wählen“, solange „eindeutig extremistische Positionen, wie z.B. der sogenannte ‘Flügel’ der AfD Teil der Partei“ seien. Den Anwesenden habe er „die kritische Auseinandersetzung mit allen Parteiprogrammen, so auch dem der AfD“ empfohlen.

Das Zentrum, heißt es weiter in der Stellungnahme, habe „unter anderem die Aufgabe, aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen aufzugreifen und im Rahmen der politischen Bildung zu diskutieren“. In diesem Zusammenhang könne dessen Kommandeur „Impulse und Beiträge für den kritischen Diskurs geben“.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bestätigte, man habe von der Eingabe beim Wehrbeauftragten Kenntnis genommen. Nun werde „alles weitere dazu geprüft“. Ob gegen den General ein Disziplinarverfahren oder lediglich Verwaltungsermittlungen eingeleitet werden, bleibt unklar. Spekulationen wolle man keinen Raum geben, stellte der Ministeriumssprecher fest. 

Vereinzelt meldeten sich diejenigen zu Wort, die den General verteidigten und seine Worte lobten. Er habe geradezu das getan, was seine Aufgabe sei: nämlich für die freiheitliche demokratische Ordnung einzutreten und gegen ihre Feinde Stellung zu beziehen. Dem allerdings entgegnen die Kritiker Zudrops, es stehe nicht in der Macht eines einzelnen Generals zu bestimmen, wer Verfassungsfeind sei; dies ist schließlich dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. 

Zudem hatte etwa der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bei der Vorstellung des Berichts seiner Behörde im Juni ausdrücklich festgestellt: „Die AfD ist für den Verfassungsschutz keine rechtsextreme Partei.“ Dennoch wäre es nach Ansicht von Insidern nicht unwahrscheinlich, wenn das Verfahren so geführt werde, daß General Zudrop am Ende als „Warner vor Rechtsextremismus“ dasteht.