© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Ländersache: Hessen
Koran von Vater Staat
Christian Vollradt

Zu Beginn des neuen Schuljahres startet in Hessen ein Pilotprojekt: islamischer Religionsunterricht in rein staatlicher Regie. Begonnen wird mit zunächst 144 Schülern der siebten Klassen, die in einer Art Islamkunde unterrichtet werden – ohne daß die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib) Einfluß auf Inhalte nehmen kann. Mit dem Moscheeverband als Partner wird in dem Bundesland seit dem Schuljahr 2013/14 ein bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht angeboten. 

Die Zusammenarbeit mit der Ditib befinde sich allerdings auf dem Prüfstand, seit man im Kultusministerium wie auch andernorts in Deutschland (JF 9/17) Zweifel an der erforderlichen Unabhängigkeit der Ditib vom türkischen Staat bekam. Ursprünglich sollte bereits Ende vergangenen Jahres die Organisation mit Beweisen entsprechende Bedenken aus dem Weg geräumt haben; sie habe auch ein ganzes Paket an Unterlagen geliefert, heißt es in Wiesbaden. Die Frist zur Prüfung wurde nun noch einmal bis Ende dieses Jahres verlängert. Eine Entscheidung, gleich ob sie nun für oder gegen eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Ditib ausfällt, müsse „so gut wie möglich abgesichert sein“, betonte Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU). Schließlich wolle das Land in einem etwaigen Gerichtsverfahren nicht unterliegen.

Um während der Prüfungsphase die Schüler muslimischen Glaubens nicht ohne Angebot zu lassen, habe man das Projekt eingeführt. Dies sei aber kein bekenntnisorientierter Religionsunterricht mehr im Sinne des Grundgesetzes. Stattdessen nähere sich dieser Unterricht dem Islam aus einer anderen Perspektive, „nicht auf Grundlage des Glaubensbekenntnisses, sondern in einer wissenschaftlichen Betrachtung. Das ist eine fundamental andere Herangehensweise“, sagte Lorz dem Evangelischen Pressedienst. Bei Erfolg könne das Curriculum auch für die Klassen 1 bis 6 erweitert werden.

Die AfD-Fraktion im Hessischen Landtag kritisierte die Entscheidung des Kultusministers. „Ab der 7. Klasse einen Islamunterricht anzubieten, der rein informativen Charakter haben soll, ist viel zu spät“, sagte Rolf Kahnt, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. „Besonders, wenn die Kinder aus einem fundamentalistischen muslimischen Elternhaus kommen, ist zu diesem Zeitpunkt die Prägung weitestgehend abgeschlossen.“ Man dürfe auch nicht vergessen, daß die Kinder zusätzlich in Koranschulen und Moscheen im Islam unterrichtet werden, so Kahnt weiter. Bereits im Februar hatte die AfD im Landtag gefordert, die Kooperation mit der Ditib sofort zu beenden. Ihr Antrag wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt.

Auch der hessische Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer (CDU) gehört zu den Gegnern eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts, „solange der Islam keine Aufklärung durchlaufen hat“ (JF 4/18). Er plädiert stattdessen für Islamkunde, in der „eine Weltreligion neutral betrachtet“ wird. Dieser Vorstellung dürfte das neue Projekt in Hessen näher kommen. Ob es über den Pilot-Status hinausgeht, hängt nicht zuletzt von der Entscheidung der Landesregierung ab, die Zusammenarbeit mit der Ditib einzustellen oder fortzusetzen.