Knatternde Motoren, coole Politiker auf heißen Öfen. So gibt sich Holger Zastrow im Endspurt des sächsischen Landtagswahlkampfes mit seiner FDP. Und drückt mächtig aufs Gas. Zehn Prozent möchte der liberale Spitzenkandidat am 1. September erreichen. „Die Umfragen sehen uns irgendwo zwischen fünf und sieben“, erklärt er. Sein Programm? Besteht vor allem aus drei Worten. „Freiheit, Freiheit, Freiheit“, sagt er der JUNGEN FREIHEIT. Ein gutes Dutzend liberaler Mitstreiter begleitet ihn auf seiner Motorradtour quer durch Sachsen. Sie haben FDP-Fahnen und Wimpel an ihren Maschinen befestigt.
Auf dem Markt in Freiberg, einer Stadt in Mittelsachsen, legen sie eine Pause ein. Kaffee trinken, Brötchen essen. Die anderen Parteien haben hier ihre Infostände aufgebaut. Holger Zastrow und seine Crew bauen sich dagegen mit ihren Motorrädern auf dem Platz auf. „Einfach machen.“ Das ist Zastrows Motto, das auf seinen Plakaten steht. Die Wirtschaft machen lassen, den Mittelstand, die Unternehmer, statt immer neuer Reglementierungen. Und ihn machen lassen. Hier in Freiberg, mit seinen Motorrädern, die inzwischen die Aufmerksamkeit zweier Polizisten auf sich ziehen.
Applaus für eine Spitze gegen die Bundespartei
„Ist das hier angemeldet?“, fragt einer der Uniformierten. Zastrow winkt lachend ab. „Das ist kein Stand, wir haben nur eine kurze Pause eingelegt.“ Die Polizisten geben sich damit zufrieden. „Einfach machen“ ist nicht immer einfach. Und Wahlkampf auf Motorrädern in Zeiten von Greta, „Fridays for Future“ und Klimahysterie fast so etwas wie Provokation, wäre man nicht in Sachsen. Einem Bundesland, in dem die Mehrheit der Bürger CO2-Steuer und „Refugees welcome“ skeptisch gegenüberstehen, eine solide Energieversorgung einfordern und die innere Sicherheit eine hohe Priorität hat. Zastrow ist sich dessen bewußt. „Wir setzen auf die Themen, die die Bürger in Sachsen bewegen“, betont er.
Genau das will auch Sebastian Fischer. Der gelernte Koch ist CDU-Landtagsabgeordneter des Wahkreises Meißen 2. In der Stadt Großenhain im Landkreis Meißen hat der 37jährige zum Familienfest geladen. Ministerpräsident Michael Kretschmer ist als Redner gekommen. Es gibt Bratwurst im Brötchen und Freibier. Ein Spielmannszug unterhält die mehr als hundert Gäste mit Marschmusik. „Es geht doch um Sachsen“, erinnert Fischer die Zuhörer daran, daß am 1. September der Landtag und nicht der Bundestag gewählt wird. „Wir müssen uns als erstes um die Leute in unserem Land kümmern.“ Eine Spitze auch gegen die Bundespartei, für die er Applaus erhält.
Fischer gilt als Konservativer in der Union. Er erzählt, wie er sich eine Pegida-Demo ansehen wollte, um sich ein eigenes Bild von der Gruppierung zu machen und wie er dort als „Volksverräter“ beschimpft worden sei. „Das politische Klima ist rauher geworden. Wir müssen wieder mehr Anstand einfordern“, appelliert der gebürtige Vogtländer.
Tatsächlich gelingt es ihm, die Bürger auf die örtlichen Sachthemen zu fokussieren. „Der Ministerpräsident steht für Fragen zur Verfügung, das ist eure Chance, die Probleme der Region anzusprechen“, motiviert er die Gäste. Die Fragen beziehen sich auf die örtliche Bundesstraße, den Abwasserzweckverband sowie auf Windkraftanlagen.
Doch ganz um die Fragen zu möglichen künftigen Koalitionen kommt der sächsische Regierungschef auch hier nicht herum. „Mit der AfD und der Linken geht es nicht“, stellt er klar. „Alles andere klärt das Wahlergebnis.“ Der letzte Satz ist manchem zu schwammig. „Aber bitte nicht mit den Grünen“ fordert einer. Kretschmer beruhigt: „Ich will die ja auch nicht, ich möchte das nicht. Die Grünen sind eine Verbotspartei.“ Eine eindeutige Absage an eine Koalition mit der Öko-Partei spricht er dennoch nicht aus.
Sehr zum Leidwesen seiner Parteifreundin Saskia Ludwig, die 150 Kilometer von Sebastian Fischer entfernt um das Direktmandat im Wahlkreis Potsdam-Mittelmark III kämpft. „Die Grünen sitzen mir hier dicht im Nacken“, erzählt sie. Im Gegensatz zur sächsischen Provinz ist im gut betuchten Potsdam Wohlfühl- oftmals populärer als Realpolitik.
Damit sich das ändert, hat die 51jährige gemeinsam mit der örtlichen Mittelstandsvereinigung Hans-Georg Maaßen ins brandenburgische Werder geladen, der zum Thema Wirtschaftsspionage referiert. Der Saal ist prall gefüllt, mehr als hundert Interessierte sind gekommen. Vor allem Unternehmer. Auch Saskia Ludwig setzt auf Bürgernähe, spricht mit Vereinen und Verbänden. Mit dem neuen JU-Bundesvorsitzenden Tilman Kuban hatte sie ein Fußballturnier organisiert. „War klasse“, zeigt sie sich vom Erfolg der Veranstaltung begeistert, während sie bereits auf dem Weg zum nächsten Termin ist: Die Jahresversammlung des Hühnerzüchtervereins von Werder.
Für sie keineswegs nur einer jener üblichen Pflichttermine, die man so absolviert, wenn Wahlkampfzeit ist. „Ich bin Mitglied in dem Verein. Früher hatte ich selbst Seidenhühner gezüchtet, sehr schöne Tiere“, verrät sie. Die CDU-Politikerin geht von Tisch zu Tisch, begrüßt jedes Mitglied per Handschlag. Den Wirt der Gastronomie kennt sie gut. „Er züchtet auch Bienen“, erklärt sie und läßt sich von ihm die Sorgen und Probleme der Imker erläutern.
Es sind die kleinen Aktionen und Gesten, mit denen Abgeordnete wie Fischer und Ludwig versuchen, beim Wähler angesichts der großen Unzufriedenheit mit der Parteiführung in Berlin zu punkten. Auch Gerald Otto setzt darauf, nimmt aber in bezug auf die Pannen im Adenauerhaus und der jüngsten mißverständlichen Äußerung Annegret Kramp-Karrenbauers über einen möglichen Parteiausschluß von Hans-Georg Maaßen kein Blatt vor den Mund.
„Sie glauben gar nicht, was ich mir von den Bürgern auf der Straße alles anhören muß. Es ist mir ein Rätsel, warum sich unsere Parteivorsitzende kurz vor der Wahl zu so einer Aussage hinreißen läßt.“ Otto ist CDU-Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Zwickau, einer Hochburg der AfD. Eine Absicherung auf der Landesliste hat er nicht. Um so ärgerlicher ist für ihn der Linkskurs seiner Bundespartei. Nahezu jeden Tag ist der gelernte Werkzeugmacher mit Infoständen vertreten, nimmt alle möglichen Termine im Wahlkreis wahr. „Ich mache alles, was man im Wahlkampf nur machen kann“, sagt er. Seine Hoffnung: „Auch Wähler der SPD und der Grünen wollen mir ihre Stimme geben. Die lehnen zwar meine Positionen ab, aber die AfD lehnen sie noch stärker ab.“
„Da kommt Unmut auf, den ich verstehen kann“
Bündnisse, mit denen es auch Dominik Kaufner zu tun bekommen könnte. Der Gymnasiallehrer kandidiert für die AfD im Wahlkreis Havelland I erstmals für den brandenburgischen Landtag. Vormittags unterrichtet er nach wie vor, danach kümmert er sich um seine drei kleinen Söhne. Die restliche Zeit geht für Wahlkampf drauf. Im Flur neben dem Wohnzimmer ist der Boden überfüllt mit Pappkartons. „Mein Wahlkampfmaterial“, erklärt Kaufner, der ursprünglich aus Bayern stammt. Für die Wahl rechnet er sich durchaus Chancen auf das Direktmandat aus. „Ich wurde hier in der Region von den Menschen super aufgenommen. Auch mit den Kandidaten der anderen Parteien verstehe ich mich gut“, sagt er. Grabenkämpfe in den eigenen Reihen hält er für kontraproduktiv. „Die AfD braucht sowohl die Alternative Mitte als auch den Flügel“, erklärt er. Er selbst hatte einst die sogenannte Erfurter Erklärung mit unterschrieben. Die Kritik an seinem Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz teilt er nicht. „Das kommt doch von den etablierten Medien, um uns zu schwächen“, ist er überzeugt. Mit seiner Partei möchte er „die Wende vollenden“, wie er sagt. „Die Ostdeutschen werden vom Westen von oben herab behandelt. Da kommt Unmut auf, den ich verstehen kann“, sagt er. Wie zum Beweis zeigt er die Rückseite seiner AfD-Weste. Dort steht „Dissident“.