© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/19 / 23. August 2019

Grüße aus Bern
E-Prix sorgt für Unmut
Frank Liebermann

Berns Innenstadt wird ständig mit etwas zugestopft. Wenn es nicht Demonstrationen für oder gegen irgend etwas sind, brauchen die vielen Feste und Veranstaltungen Platz. „Fridays for Future“, Stadtläufe oder Straßenmusikerfestivals sind nur einige Beispiele, welche die schöne Altstadt als idyllische Bühne für ihre mehr oder weniger sinnvollen Aktivitäten nutzen. Neu hinzugekommen ist ein Autoevent, obwohl diese in Bern vor allem bei den Politikern sehr unbeliebt sind. Die grün-rote Stadtregierung hat gerade erst beschlossen, die Hälfte aller öffentlichen Parkplätze zu beseitigen. Die Wirtschaft freut sich nicht darüber, schließlich will und kann nicht jeder der Kunden mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisen.

Dafür will die Stadt mit einem Motorsportevent Geld in die Stadtkasse spülen. Der Event ist politisch korrekt. Beim E-Prix sind nur Boliden mit Elektroantrieb zugelassen. Und da der Strom aus der Steckdose kommt, war die Genehmigung für die Grün-Roten kein Problem.

Sehr ökologisch ist es nicht, wenn Lkw 500 Tonnen Betonpoller durch Bern kutschieren.

Die Rennstrecke, die mitten durch die Stadt führte, sorgte für Verzückung und für Verärgerung, je nach Grad der Betroffenheit. Der kurvenreiche Kurs mit engen Spitzen und Wendungen, vielen Auf- und Abstiegen war einmalig und verlangte von den Fahrern höchste Konzentration und den Batterien eine maximale Leistung. Es stellte sich bei manchen die Frage, ob Bern das Monaco der E-Rennen werden möchte. 

Weniger begeistert waren die üblichen Demonstranten, die ihrer Meinung durch Sachbeschädigungen Nachdruck verliehen. Miese Stimmung entstand bei den Anwohnern, weil meterhohe Gitter in den Wohnquartieren für riesige Umwege sorgten. Und die besten Plätze in einem VIP-Bereich blieben für Normalos geschlossen, auch wenn sie unter den Folgen des Rennens zu leiden hatten. 

Besonders enttäuscht sind viele Wähler der grün-roten Stadtregierung. Das auch noch mit der Zürcher Privatbank Julius Bär als Sponsor, die in den vergangenen  Jahren viele Skandale vermeldete. Besonders ökologisch ist es nicht, wenn der Rennzirkus mit Nicht-Elektro-Lastwagen rund 500 Tonnen Betonpoller durch die Gegend transportiert. 

Dem Berner Stadtpräsidenten dürfte es aufgrund der geteilten Stimmung mulmig geworden sein. Eigentlich hätte Alec von Graffenried die Siegerpokale verleihen sollen. Darauf verzichtete er dann doch. Vermutlich war er im Wald Pilze suchen.